Montag, 30. April 2012

Trauer

Es ist etwas ganz Schreckliches passiert.
Unsere Schulsekretaerin verkuendet es Sarina und mir, als wir ihr auf der Strasse begegnen, mit zuckenden Schultern. Bei einem Verkehrsunfall eines Matatus sind eine unsere Erstklaesslerinnen, die kleine Faith, und ihre Mutter ums Leben gekommen.
Ich kenne das Maedchen nicht, oder zumindest nicht so, dass ich ihr Gesicht mit ihrem Namen assoziieren kann, aber dennoch haut es mich um. Sowas passiert nicht bei uns. Kinder sterben nicht. Kinder verungluecken nicht. Und wenn, dann ganz selten, und ich habe es noch nie mitbekommen. Wenn ich an die suessen Erstklaessler denke, die die Klasse meiner Mutter besuchen, und ihre gelben ADAC Warnwesten und alle anderen Massnahmen, um sie im Strassenverkehr sicher zu wissen - und dann an die klapprigen Autos ohne Sicherheitsgurte und eine andere Klasse suesser Erstklaessler hier, wird mir ganz anders.

Wenn man die Hinweise des Auswaertigen Amtes zu Kenia liest, steht dort im Grossen und Ganzen Folgendes drin: Bevor man sich hier Gedanken um Malaria, Raubmord oder andere Touristensorgen machen kann, ist man vermutlich schon einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen. Staendig liest man in der Zeitung von haarstraeubenden Unfaellen. Es ist mit Abstand das groesste Risiko fuer Leib und Leben hier. Man liest es, man weiss es, aber jetzt ist es Realitaet geworden, denn es hat ein Kind unserer Schule erwischt.

"Das war Gottes Wille", sagt Pauline, die Sekretaerin, recht sachlich. Die nuechterne Akzeptanz schockiert mich erst, dann begreife ich langsam, dass dies ein Schutz ist der Leute vor dem Schmerz, weil viel zu oft etwas passiert, das nicht passieren sollte. Kinder werden Aidswaisen, Babys sterben bei der Geburt, Familien verlieren den Vater und Versorger undsoweiter undsoweiter. Hilft es da zu glauben, das alles sei Schicksal? Ich kann mich nicht damit anfreunden, dass der Tod eines sechsjaehrigen Maedchens gewollt ist, von keinem Gott und Schicksal der Welt.
Die Schule sammelt Geld fuer ein Kondolenzgeschenk an die uebrige Familie, Mittwoch wird es eingesammelt. Ich frage mich, wie diese Familie mit der Situation umgeht - aber mir daemmert langsam, dass man hier den Tod als Teil des Lebens akzeptieren muss, sonst wird man verrueckt, so oft, wie er zuschlaegt.

Sicher trauern die Leute hier auf ihre Weise. Ich hoffe ehrlich fuer alle hinterbliebenen Familienmitglieder, die Klassenkameraden, Freunde und Lehrer, dass wir alle bald irgendwie darueber hinwegkommen, und das Gedenken an das Meadchen und ihre Mutter eine schoene und keine schmerzliche Erinnerung mehr seid wird. Und dass es das letzte Mal ist, dass wir in Ukunda Schueler begraben muessen, wobei ich fuerchte, dass dies noch ein Wunschtraum bleibt, bevor hier endlich etwas fuer die Verkehrssicherheit getan wird.


Du bist nicht mehr da, wo Du warst,
aber Du bist überall, wo wir sind. 

Wir denken an dich Faith

Regenzeit

Ungefaehr zwanzig mal rutsche ich beinahe (aber zum Glueck nur beinahe!) aus auf dem matschigen Boden, als ich mich endlich dazu durchringe, das Haus zu verlassen. Der Regen flatscht seit gestern periodisch in Stroemen vom Himmel, und weil hier sehr wenig asphaltiert ist, gleicht der Boden inzwischen dem Inhalt eines gigantischen Nutellaglases. Einzig der Geruch ist nicht schokoladig-nussig, sondern noch feucht-stickig, wie in eiem Gewaechshaus. Ich fuerchte, dass sich das bald aendert, wenn die Muellkippen entlang der Strasse ausgeschwemmt werden, aber noch ist es nicht so weit.
Erst gestern Mittag hatte uns wieder einmal jemand gesagt, wie wenig es doch regne fuer die Regenzeit. Die hat schliesslich schon vor einer Weile begonnen, doch bis auf den ein oder anderen sporadischen Schauer war es weitgehend trocken geblieben, wenn auch windig, und der Wind hatte die dunklen Wolken schnell weg von der Kueste und ins Landesinnere geblasen.
Also hat der Klimawandel auch Afrika erreicht - oder, wenn es nicht der Klimawandel ist, dann zumindest dasselbe Phaenomen, was wir bei uns in Koeln (und vermutlich auch im Rest Deutschlands) auch seit ein paar Jahren beobachten: Hochsommer im Mai, dann im August Temperaturen, die unter denen vom letzten November liegen, der Schnee kommt Ostern, waehrend Weihnachten ins Wasser faellt etc. - kurzum, die Jahreszeiten stimmen nicht mehr so richtig. Und hier, wo seit Jahr und Tag im April die Regenzeit losgeht, braucht es diesmal bis zum letzten Wochenende des Monats, bis die ersten, groesseren Schauer und Gewitter kommen.
Was unangenehm ist fuer uns (wir konnten das Wochenende weitgehend nur drinnen verbringen, haben aber jetzt immerhin eine Kochplatte und koennen uns versorgen), ist ein lang erwarteter Segen fuer die lokale Landwirtschaft. Dennoch - die Preise fuer das zur Zeit ohnehin teure Obst und Gemuese werden weiter steigen, denn der wenige Regen hat Auswirkungen auf die Ernte und auf die Laune der Leute.
Draussen am Strand, in der Disko, die Sarina gern besucht, verdient ein Kellner pro Nacht zwei Euro - so viel kostet dort ein Bier. Und wenn der Kellner ein solches mal faelschlicherweise oeffnet, hat er die Nacht eben umsonst gearbeitet. Wenig Trinkgeld gibt es zudem, dafuer sind die Getraenkepreise zu hoch, insbesondere fuer die Einheimischen, die jetzt anstelle der Touristen die Disko besuchen. Fuer zwei Euro konnte man mal 40 Bananen kaufen, jetzt ist es die Haelfte und wird wahrscheinlich noch weniger.

Unerschuetterlich aber sitzen die Marktleute weiter auf dem jetzt matschigen Marktplatz von Ibiza im Regen und verkaufen wie jeden Tag ihre Waren. Das Resultat - schimmlige Tomaten, wie die, die wir heute in unseren selbstgemachten Nudelsalat schnippeln (erste Amtshandlung angesichts neuer Kochplatte), und viel Abwaschbedarf.
Die Moskitopopulation ist offenbar auch rasant angestiegen, jetzt, wo es wieder vermehrt Brutplaetze gibt, und es draengt sich die Notwendigkeit auf, auch fuer die nur noch verbleibenden zwei Wochen Aufenthalt ein Netz zu kaufen. 
Wir werden jetzt mehr denn je angesprochen auf der Strasse in der Hoffnung, wir moegen doch einen Laden besuchen oder auf einem Motorrad mitfahren (Letzteres ist bei Regen natuerlich ausgesprochen unattraktiv). Die Anzahl der Touristen und die Menge an Leuten auf der Strasse hat spuerbar abgenommen, und die konstante Menge an Verkaeufern und Taxifahrern buhlt verzweifelt um die knappe Kundschaft. Vermutlich ist es gerade gar keine schlechte Form von "Hilfe", einfach nur in der Stadt herumzufahren und Essen zu gehen und Dinge einzukaufen.
Gut ist, dass man darauf verzichten kann, sich mit Sonnenmilch einzureiben und langaermelige Klamotten zu tragen. Die Freude ueber das Nichtschwitzen wird allerdings dadurch neutralisiert, dass man durch den Regen am Ende des Tages trotzdem so nass ist wie eh und je. Aber wir wollen uns nicht zu arg beschweren und hoffen fuer die Bevoelkerung auf eine jetzt gute Ernte und stabilie Lebensmittelpreise.
Und wenn wir einen Wunsch frei haben, dann einen Tag mit viel Sonne fuer das naechste Wochenende. In der Nacht darf es dann gerne wieder sintflutartig regnen!

PS: Wir werden heute, ebenfalls auf Grund des Wetters, nicht in den Mai tanzen, sondern eher in den Mai schlafen. Denjenigen unter euch aber, die heute Nacht tanzen, Maibaeumchen aufstellen, oder (weniger traditionsreich) grillen oder aehnliches moechten, wuensche ich selbstverstaendlich nur gutes Wetter und einen tollen Start in den neuen Monat!

Donnerstag, 26. April 2012

Ausflug


Sarina und ich schluerfen gegen halb zehn gemuetlich unseren heissen Instantkaffee (mit viel Milch und Zucker) auf der schattigen Terrasse des Rongairestaurants (auf der sich heute Morgen mal keine Europaeer zum Biertrinken versammelt haben), als Charles vorfaehrt. Puenktlich ist er, sogar fuer deutsche Verhaeltnisse und nicht nur kenianische. Im Schlepptau alle 18 Kinder des Heims sowie eine Hausmutter, alle hinten ins heimeigene Matatu gestopft, damit wir beiden auf der Beifahrerbank Platz haben.
die Maedels warten im Schatten
Heute ist ein Ausflug angesagt, finanziert aus Spendengeldern. Wir fahren als allererstes an den Tiwi- oder Congoriver, und ich weiss bis jetzt nicht, was der richtige Name ist. Tolle Baobab-Baeume (die, die so aussehen, als seien sie schwanger) stehen herum und spenden Schatten – doch das Wasser steht tief und dies sowie Wind und Seegang ermoeglichen keine Bootsfahrt auf dem Fluss. Die Kinder warten im Schatten; etwas muede sehen sie aus und weniger lebhaft und froehlich als gestern, bis auf die Kleinste, die wild um mich herumspringt und dann zu Sarina auf den Autositz krabbelt, voellig ohne Scheu.
Zebrafische unter dem Boot werden beobachtet
Wir disponieren schliesslich um und fahren bei Kim4Love, einer Strandbar, an den Strand. Dort handeln wir zu einem guenstigen Preis eine Fahrt mit dem Glasbodenboot auf eine vorgelagerte Sandbank aus. Da Charles geschaeftlich nach Mombasa muss, fahren die Kinder, Hausmutter und wir beiden Freiwilligen alleine los. Der Wind weht schon recht arg, aber zum Glueck ist das Wasser nicht tief und die Wellen koennen sich nicht so arg aufschaukeln, dass ich seekrank werden koennte. Durch den Glasboden kann man den nahen Sandboden beobachten und dann die Grenze zum Riff. Man sieht einige Korallenknoten, Zebrafische, Seetang, Seeigel und anderes Getier, was schon recht huebsch ist. Das Great Barrier Reef ist es nicht – so viele tolle, praechtige Korallen so knapp vor der Kueste gibt  es hier, denke ich, nicht. So wie der Bootsfahrer seinen Anker ins Wasser wirft, glaube ich auch zu wissen, warum. Die Kinder jedenfalls starren fasziniert durch das Glasfenster, und Sarina und ich,
die ihnen den Vortritt lassen, geniessen die Brise auf dem Dach des doppelstoeckigen, kleinen Holzbootes. Die Besatzung des Bootes taucht mit Fischfutter unter das Glasfenster, um die Tiere herbeizulochen, und wir koennen die Zebrafische genauer studieren – toll sehen sie aus, richtig gestreift wie Zebras, die Maennchen dazu mit einem gelben Ruecken (ich glaube jedenfalls, dass es die Maennchen sind, den so gut verstehe ich ja immer noch kein Kisuaheli). Inzwischen schwimmen viele schnorchelnde Touristen um das Boot, und wir legen an der Sandbank an. Dort ist eine ganze Weile Pause angesagt. Die Kinder spingen lachend vom Boot in den Sand und von da aus gleich ins flache, wellenfreie Wasser an der geschuetzten Seite der kleinen Insel. Sarina und ich kuemmern uns abwechselnd um die Nichtschwimmerinnen, die andere macht ein paar Bilder, erkundet die Insel oder geht – in meinem Fall – mal kurz mit Maske, aber ohne Schnorchel (bissel eklig) auf Tauchstation. Ich passe auf, dass ich in keinen Seeigel trete, obwohl ich viele sehe, und dazu noch Schwaerme winziger Fische, die durch den Glasboden nicht zu erkennen waren. Unter Wasser fuehle ich mich wohl, waere gern laenger geblieben, kehre aber zurueck zu den Pflichten. Inzwischen haben Touristen “unsere” Kinder entdeckt und kommen zum fotographieren. Ich frage die Kinder, ob ihnen das recht ist, dann fassen sie Vertrauen und lassen sich mit den Touris zusammen ablichten, sehr zu deren Freude. Der Rest plantscht froehlich im Wasser. Die meisten, und alle aelteren, koennen schwimmen. Die Maedels tragen allesamt eine Radlerhose unter den Badeanzuegen, und die aelteren Maedels, die mit schicken Langhaarfrisuren aus den Ferien zurueckgekehrt sind, sehen wie richtige Badenixen aus.
die Nichtschwimmerinnen und wir spielen im flachen Wasser
Als der Wind staerker wird und die Kleine beginnt, mit den Zaehnen zu klappern, fahren wir schnell zurueck. Inzwischen ist es etwa halb zwei und wir haben fuer diese Zeit einen Mittagssnack bestellt. Viel gibt die Karte nicht her, also hatten wir uns fuer Pommes Frites, bunten Salat, und je ein Getraenk entschieden. Im oberen Stockwerk der Bar wird fuer unsseine riesige Plastiktafel bereitet. Die offenbar erschoepften Kinder nehmen still daran Platz, warten hoeflich, bis jeder hat. Schon befuerchten wir, wir haetten das Falsche bestellt, doch dann wird doch jeder Teller blitzeblank leergefuttert.  Ich fuehle mich an Kindergeburtstage erinnert, an denen wir frueher mit unseren Freunden auch Ausfluege gemacht und dann ungesundes Essen gegessen hatten, und das oefter mal Highlights des Jahres waren.
Nach dem Essen gehen die Kinder an den Strand zum Spielen, und Sarina und ich machen eine kleine Pause im Schatten. Dann verabschieden wir uns zu einem “Spaziergang”. Wir haben noch Geld uebrig und moechten den Kindern noch eine Kleinigkeit kaufen, von der wir hoffen, dass wir sie hier bekommen. Einen kleinen Fussmarsch entfernt durchstoebern wir den naechstbesten Supermarkt und finden einen grossen, 4-Liter-Container Schokoeis, Pappbecker und Plastikloeffel, und kaufen beim Markt vor der Haustuere noch zwanzig Bananen dazu. Den ganzen Kram schmuggeln wir moeglichst schnell (damit nichts schmilzt) zurueck an die Beachbar.
Medjuma (ich hoffe, das ist richtig geschrieben) geniesst ihr Eis


Und endlich grinsen die Kinder richtig! Eine grosse Traube bildet sich um uns, als wir unter Einsatz unseres Lebens (zerkratzte Haende von splitternden Loeffeln undsoweiter) das zum Glueck noch nicht geschmolzene Eis ungeschickt auf 20 Schleckermaeuler aufteilen. Am Ende sind wir alle vollgeschmiert mit Schokolade, aber umgeben mit zufriedenen Gesichtern.
Als uns Charles am Ende des Tages wieder an der Kreuzung absetzt, an der wir uns heute Morgen trafen, hoffen (und glauben)  wir, 18 glueckliche Kinder fuer den Abend nach Hause zu verabschieden.

Im Namen der Kinder und uns moechten wir Christine und ihren Spendern ganz herzlich fuer die Ermoeglichung des heutigen Tages danken! Vielen Dank auch fuer das Vertrauen zur Mittelverwaltung in mich. Ich hoffe, wir haben in eurem Sinne gehandelt!

Mittwoch, 25. April 2012

willkommen daheim

Richtig "kalt" ist es heute, Winter fuer kenianische Verhaeltnisse, vielleicht nur 24 Grad. Viel Regen kommt runter, schon heute Morgen weckt mich das Getrommel auf dem Dach, und die Wolken bleiben den ganzen Tag hartnaeckig haengen. Die Leute tragen zum Teil Fleecejacken. Ich freue mich zunaechst ueber die Abkuehlung, doch spaeter am Tag auf dem Weg ins hoeher gelegene und etwas kuehlere Kwale ziehe ich mir sogar meine coole rote Volunteer-Regenjacke an, die ich als Freiwillige beim Weltjugendtag im Einsatzpaket bekommen hatte. Man gewoehnt sich halt doch an die omnipraesente Hitze, und die sonnenverwoehnte Haut froestelt im kuehlen Wind.


ein Willkommensgruss fuer die Heimkehrer
Ich fahre zurueck ins Tsimba Childrens Home, denn heute kommen die Kids heim, die in den letzten Tagen ihre Familien oder naeheren Verwandten besuchen gefahren waren. Heute herrscht dort eine froehliche Atmosphaere. Gleich vier Kinder kommen mir lachend entgegen gelaufen, mehr sind auch noch nicht da.
Gleich am Anfang fuehre ich ein ganz langes Gespraech mit dem Heimleiter - da ist er gut drin, aber diesmal stoeren mich seine langen Ausfuehrungen nicht so arg. Wir stellen uns gut, und entweder ich bin ihm tatsaechlich sympathisch, oder er kann sehr gut so tun als ob. Umgekehrt genauso, ich will ihn kennenlernen und das am besten vorurteilsfrei, und je mehr er redet, desto besser geht das. Er erzaehlt mir viel ueber seine Zeit im Ausland - auf den Philippinen und in Isreal war er - und wie gewinnbringend es sei, fremde Kulturen kennenzulernen. Dass er aus Nairobi kommt und die Gegend etwas moralischer sei als hier die Kueste. Ich erzaehle ein bisschen von Deutschland, weil es ihn interessiert.
Danach gibt es Mittagessen - eine Erbsensuppe, die es auch in einem Festzelt auf irgendeinem deutschen Jahrmarkt genauso haette geben koennen, nur die Mettwurst fehlt. Ich mache den Abwasch. Charles weiss, wie er mir sagt, dass wir in Deutschland nicht alle eine Haushaltshilfe einstellen, die das Kochen und Abwaschen uebernimmt (denken aber natuerlich viele Kenianer, weil die reichen Einheimischen das ja auch haben). "Aber du hast eine Spuelmaschine zu Hause, richtig? Kannst du von Hand abwaschen?"
Er ist erstaunt, als ich ihm erklaere, dass unsere Studentenwohnung keine Spuelmaschine hat. Und er freut sich, dass ich mir offenbar nicht zu fein bin, das Geschirr zu spuelen, im Gegensatz zu einigen einheimischen Maedchen, wie er mir erklaert. Seinen eigenen Teller spuelt er uebrigens selbst.

Kelvin und sein Huhn
Kelvin hat aus den Ferien zu Hause bei der Oma ein junges Huhn mitgebracht, welches er nun in der Kueche anbindet. Das arme Tier ruckt ungluecklich an den Fesseln und verkriecht sich dann in der hintersten Ecke im Regal. Irgendwann wird es sicher dick genug sein und dann gegessen werden, und ich wundere mich, wie anders die Einstellung der Kinder hier zu diesem Thema ist. Ich haette nie ein Haustier von mir essen koennen.Doch die Kinder gehen mit dem Huhn nicht besonders freundlich um - es wird von allen Seiten inspiziert, und ich rette es gerade noch, bevor die etwas grobmotorische Mejuma dem Vogel vielleicht den Fluegel bricht, als sie neugierig darunterspaeht und feste die Federn nach hinten zieht. Zum ersten Mal halte ich ein Huhn auf dem Schoss, welches eigentlich ganz zutraulich dort hocken bleibt, und ich entferne ihm ein paar Zecken.

Zeckenentfernung
Gestern abend hatten Sarina und ich im Restaurant ein halbes Grillhaehnchen geteilt. Die Zubereitung hatte ewig gedauert und waehrenddessen waren bestimmt zwei Leute vorgefahren, die der Kueche ihre lebenden Huehner, ungluecklich auf dem Motorrad festgebunden, verkauft hatten. Ich betete, das keins davon bei uns auf dem Teller landen wuerde, und war mir sicher, dass ich in Deutschland keinen Bissen mehr runterbekommen haette. Aber hier sind die Dinge dann doch irgendwie anders. Das Huhn schmeckte toll - meiner Mutter am Telefon erzaehlte ich spaeter sehr zu deren Amusement, dass ich niemals in Europa ein so frisch und gut nach natuerlich aufgewachsenem Huhn schmeckendes Stueck Fleisch bekommen hatte, und das, obwohl die Viecher hier aussehen wie die Voegel, die das Fernsehen zeigt, wenn wieder irgendwo eine Oelpest ein Oekosystem zerstoert - verklebt, mager, dreckig, ausgesprochen haesslich und generell eher unappetitlich. Aber eben auch nicht mit Antibiotika vollgestopft, gemaestet und danach mit Wasser aufgespritzt.

Wie viele Kenianer braucht man, um eine Gluehbirne zu wechseln?
Nach und nach trudeln mehr Kinder im Heim ein, wir spielen Seilchenspringen (wieder wundern sich welche, dass ich das kann) und Schweinchen in der Mitte mit einem aus Plastiktueten und Schnur improvisierten Ball.
Manche Kinder waren offenbar beim Frisoer und haben nun tolle Langhaarfrisuren, gerade Christine wird von allen bewundert. Die Stimmung ist heute gut. Die Kinder begruessen sich froehlich, die Jungs spielen endlich wieder gemeinsam Fussball, und waehrend ich in der Kueche beim Vorbereiten des Abendessens helfe, herrscht dort ausgelassene Stimmung anlaesslich des Wechsels einer Gluehbirne, was erst im dritten Versuch endlich klappt.
Einige Eltern kommen mit ihren Kindern zurueck und halten dann Gespraeche mit der Heimleitung zur Entwicklung der Kinder. Ich erfahre zum ersten mal, dass auch Kinder da sind, die mit dem Ziel der Verbesserung der schulischen Leistungen im Heim sind, da sie sich zu Hause nicht auf ihre Bildung konzentrieren koennen. Unwillkuehrlich denke ich an deutsche Eltern, die dem Nachwuchs drohen mit "Tu dies und das, oder du kommst ins Heim!", aber ich glaube, die Sachlage ist hier eine ganz andere.

Als es dunkel wird sind dann alle da, bis auf einen, der sich fuer morgen frueh angekuendigt hat, und ich fahre wieder nach Ukunda ins neue Zuhause, denn ich habe die einzigen Schluessel dafuer. Heute ist Sarinas erste Nacht im neuen Haus, ihrer ersten, eigenen Wohnung, und darauf stossen wir mit einem guten Schluck Mineralwasser an.Genau wie die Kinder im Heim schlafen wir heute endlich alle mal wieder zu Hause.

Dienstag, 24. April 2012

Scheidungskinder

Ich moechte hiermit meinen Eltern dafuer danken, dass unsere Familienverhaeltnisse immer harmonisch waren. Wirklich und wahrhaftig.
Schon nach nur zwei Wochen, und obwohl ich volljaehrig und kein leibliches Kind der Familie bin, werde ich der familiaeren Situation der Gastfamilie ueberdruessig. Die Kinder tun mir leid, aber ich habe das Gefuehl, ich bin im Haus der Familie fehl am Platz, gehoere nicht dort zwischen die Fronten, wo sich zwei Partner nicht richtig einig werden koennen.

Fuer Sarina und mich suche ich deshalb eine neue Wohnung. Und wir haben wahnsinniges Glueck.
Es ist noch nicht allzu lange her, dass ich die Strasse entlangspazierte und mir aus einem Auto jemand in perfektem Deutsch nachrief, ob ich vielleicht Deutsch spreche? Ich hatte die Person kaum gesehen, denn es war bereits dunkel und die Person ebenfalls (ich habe gelernt, dass, waehrend wir mit heller Hautfarbe im Winter weiter ausbleichen, die Afrikaner in der Kaelte nachdunkeln). "Ja", hatte ich gesagt, trete ans Fenster und wir unterhalten uns eine Weile. Die Person heisst Ossman, und er kommt aus Ukunda, lebt aber schon seit ueber 22 Jahren in Deutschland. "Wo genau?", will ich wissen, und er erzaehlt mir etwas von der Naehe von Koeln, und einem Braunkohlekraftwerk. "Niederaussem?", frage ich, denn in der Naehe wohnen meine Eltern und bin ich aufgewachsen. Ossman nickt, jetzt aber wohne er in Bruehl, sagt er. Kenne ich auch. Da gibt es einen Freizeitpark mit afrikanischer Themenwelt, wo er gern essen geht, aber arbeiten tut er bei Renault. Alle zwei Jahre kommt er drei Monate in die kenianische Heimat. Ich fand es unglaublich toll, als wie klein die Welt sich wieder mal herausgestellt hat, und wir tauschen Telefonnummern und wollen uns nochmal treffen.

Sarina und...
... Ossman und ich mit Welpen
Dieses Treffen findet heute statt. Wir erzaehlen ihm irgendwann von unseren Umzugsplaenen, da stellt sich heraus, dass Ossman Apartments vermietet. Eine Stunde spaeter besichtigen wir eins, am naechsten Tag uebernehmen wir die Schluessel als Zwischenmieter. Der Hauptmieter hinterlaesst uns Bett und Esstisch. Die Matratze ist toll, und ich verbringe die erste Nacht alleine dort, denn Sarina faehrt ueber Nacht nach Mombasa.
Ossman selbst wohnt in einem grossen Haus gleich dahinter, und er zeigt uns das ganze Grundstueck, seine beiden Schaeferhundewelpen und die grosse Veranda. Uns gefaellts.

Einzig die Reaktion der Gastfamilie truebt die Stimmung sehr. Wir hoffen, dass sich bald wieder alles beruhigt und hoffen fuer die beiden und die Kinder, dass sich alles schnellst- und bestmoeglich regeln laesst. Aber wir koennen ihnen nicht helfen, das haben wir vergeblich versucht, und uns erscheint der Auszug richtig.

Fuer Sarina ist es die erste, eigene Wohnung, und das will gefeiert werden. Aber erst morgen.


Sonntag, 22. April 2012

Kaesespaetzle


Ein bisschen skeptisch schaut sie schon, Amy, unsere amerikanische Nachbarin, als wir beginnen, ihre Kueche gewissermassen zuzusauen. Aber sagen tut sie nichts, denn immerhin hat sie uns eingeladen, und wir haben den groessten Spass des Tages.
Ob wir uns sonntags treffen wollten um mal irgendein Gericht aus irgendeinem Teil der Welt zu kochen, hatte sie mir neulich angeboten und da ich ja gern koche, war ich natuerlich sofort dabei. Sarina laden wir noch dazu ein, und beschliessen, heute mit etwas Deutschem zu beginnen. Amy jedenfalls beschliesst das, denn sie ist neugierig. Ich stehe wieder vor dem Problem, mir etwas Deutsches ausdenken zu muessen, ohne Schweinefleisch, weil es das hier nicht gibt, und moeglichst auch ohne andere unverfuegbare Zutaten.
Auf dem Heimweg gehe ich in den Supermarkt und suche nach Lebensmitteln fuer Kartoffelsalat mit Wuerstchen - deutscher gehts ja wohl nicht.
Doch Mayo, Guerkchen und co sind teure Importware, und deshalb disponiere ich um und besorge nur die Wuerstchen, ausserdem Eier, Mehl, Zwiebeln und Kaese, und dann machen wir eben Kaesespaetzle.

Amy und ich bei den Vorbereitungen
Amys Kueche ist super ausgestattet. Auch wenn ihr Haus zu unserem baugleich ist, sieht es doch ganz anders dort aus, weil sie sich doch mit einem kleinen, westlichen Touch eingerichtet hat - und so zum Beispiel auch eine Kaesereibe besitzt. Auf eine Idee kommt ein Kenianer Mangels Kaesekonsum (ich habe bisher wenige getroffen, die Kaese moegen) eher selten. Ausserdem hat sie einen Gaskocher, der das Kochen mit zwei Toepfen gleichzweitig ermoeglicht. Die Wuerstchen brutzeln schon froehlich, und Sarina schnippelt Zwiebeln (danke, denn das kann ich absolut nicht, ich heule noch zwei Stunden spaeter wenn ich mit ‘ner Stange Porree kurz im selben Zimmer war) waehrend ich den Spaetzleteig zusammenruehre
.
die improvisierte Spaetzlepresse
Ich hab zwar ueber fuenf Jahre in Baden-Wuerttemberg gewohnt, aber so ganz der Experte fuer Spaetzle bin ich nicht. Zu lecker ist die Frischteigvariante aus dem Kuehlregal gaengiger Supermarktketten. Aber richtig schwer ists ja auch nicht - gut mit dem Holzloeffel schlagen, hat man mir beigebracht, also versuche ich das mal. Hochleistungssport ist das, bei der Hitze! Zum Glueck hat Amy einen Ventilator. Das Einzige, was sie nicht hat, ist eine Spaetzlepresse. Aber das waere ja auch zu viel des Guten. Ich habe keine Lust, fuer sechs Leute Spaetzle vom Brett zu schaben, deshalb wird improvisiert. In einen leeren Margarinekarton werden unten Loecher gebohrt, Teig hineingefuellt, und mit einem zweiten Karton von oben durchgedrueckt. Im dritten Versuch, nach viel Verduennen des Teiges und einem schoenen Spaetzleteigtropfenmuster in der halben Kueche klappt es dann sogar ziemlich gut. War das Ingenieurstudium doch noch zu was gut :)
Wir fischen die fertigen, sogar nach Spaetzle aussehenden Wuermchen aus dem Wasser und brutzeln sie mit viel Butter, Zwiebeln und Kaese zusammen. Dazu machen wir Tomatensalat. Die Wuerstchen gibts als kleine Vorspeise, quasi zum Kosten, und natuerlich als Currywurst - kleiner Gruss aus deutschen Imbissbuden.

Da wir die Kueche saubermachen und die fertigen Speatzle auch besser aussehen als der Matsch davor, verliert Amy ihre Skepsis dann auch endlich, und ihr, ihrem kenianischen Mann, der kleinen Tochter, uns beiden Deutschen und zuletzt dem Wachmann, mit dessen Versorgung wir dran sind, schmeckt's offenbar so gut, dass am Ende alle riesigen Portionen ratzeputz weggefuttert sind
 .

stolze Koeche mit Endergebnis

Naechste Woche soll es dann etwas Mexikanisches geben, darauf freu ich mich total. Wir verabschieden uns aus der gemuetlichen Runde und gehen nach Nebenan, unser Nachtlager auf der Terrasse aufschlagen. Heute ist der Himmel wieder herrlich klar, und Amy hatte uns noch eine DVD ausgeliehen, die wir jetzt mit dem Laptop anschauen .

ich kann es gar nicht erwarten, die Bilder der Spaetzleaktion hier hochzuladen, bitte gebt mir da noch etwas Zeit. Bis dahin - guten Appetit!

Update vom 26.April: Die Bilder konnten erfolgreich hochgeladen und mein Blog aus dem Hebraeisch-Modus zurueckgeholt werden. Ich kann wieder in die “richtige” Richtung tippen, und bald dann auch hoffentlich ein Paar der unter erschwerten Bedingungen zu Stande gekommenen Tipp- und Formatierungsfehler beheben.

Samstag, 21. April 2012

Gute Laune

Heute habe ich gute Laune. Ich habe naemlich einen Tag mal voellig abgeschaltet. Den Fehler hab ich offenbar gemacht die ganzen letzten Male, wo ich mal einen Abend am Strand oder im Restaurant war: Trotzdem ueber die Arbeit und alles nachgedacht. Heute jedenfalls war Urlaub angesagt - und das ist eine gute Sache. Ich bin jetzt etwas brauner, etwas blonder, deutlich entspannter und gelassener dem Gegenwind der letzten Woche gegenueber. Das Internetcafe tuts auch wieder, puenktlich zu dem Zeitpunkt, da zu Hause das Prepaid-Datenvolumen aufgebraucht ist. Die Seite, auf der ich meinen Blog schreibe, ist irgendwie auf Hebraeisch eingestellt und jetzt tippe ich von rechts nach links, weil ich es nicht umgestellt bekomme (evtl eigenartig anmutende Formatierung bitte ich deshalb bis zur Korrektur zu entschuldigen). Sonntag Abend geht's bei der US-amerikanischen Nachbarin zum Kochen - was Deutsches soll es geben. Seit langem habe ich mal wieder gescheit ferngesehen - Champions League, gestern in einer Bar auf Leinwand. Gute Neuigkeiten aus England gibt es auch, und dank Cortisoncreme jucken die 200 Mueckenstiche auch gar nicht mehr.

Ich sehe in Deutschland oefter mal Dokumentationen im Fernsehen ueber Aerzte ohne Grenzen oder aehnliche bewundernswerte Leute und die gehen fast immer nach ihren Arbeitstagen heim in ein Haus, das zumindest den ein oder anderen kleinen Luxus bietet: Eine Badewanne, einen Kuehlschrank mit einem Stueck Kaese drin, TV, vielleicht eine Klimaanlage. Mittlerweile glaube ich zu verstehen, dass dies kein seltsamer Widerspruch ist, sondern vielmehr motivierte Langzeitaufenthalte solcher Leute erst ermoeglicht. Die kleinen Pausen in den Refugien braucht man, um die Batterien wieder aufzuladen. Wir wuerden wahrscheinlich eingehen, wenn wir gezwungen waeren, das Leben zu leben, was fuer viele Leute hier leider die Realitaet ist. Aber das muss man sich auch erstmal eingestehen, denn ich persoenlich habe ein seltsames Gefuehl dabei, am Wochenende einfach raus an den Strand in die Oase zu fahren, waehrend die Leute, mit denen ich unter der Woche zu tun habe, in ihrem Alltag stecken bleiben - den zu verbessern ja Aufgabe meines Aufenthaltes ist. Aber auch das geht einfach besser mit guter Laune!

In diesem Sinne ein schoenes Wochenende!

Freitag, 20. April 2012

Frust

Diese Woche hat einfach mal gar nichts geklappt. Angefangen bei meinem Einstand im Kinderheim ueber ewige Internet- und Computerproblematiken bis heute. Ich bin in meine alte Projektschule gefahren, weil ich dort angeboten hatte, mit den Maedchen Papier zu schoepfen und daraus Weihnachtskarten in afrikanischem Design zu basteln, die dann in Deutschland hoffentlich gewinnbringend veraeusserbar sind. Alles war abgesprochen und heute war der Termin.
Ich war da - aber das war auch alles. Kein Fliegengitter zum Schoepfen, kein Metallrahmen, keine Lebensmittelfarbe, und auch kein Geld dafuer. Dabei hatte ich vor ueber einer Woche eine Art Bedarfsanforderung geschrieben und mich nur an Materialien gehalten, die im lokalen Shop, wenn nicht sogar auf dem Sperrmuell zu finden sind. Nun denn. Ich unterhalte mich ein paar Stunden mit den alten Kollegen und nutze dann den Schulbus, um unverrichteter Dinge wieder zurueck nach Ukunda zu fahren. Naechste Woche sind dann richtig Ferien und niemand mehr in der Schule - ich sehe schwarz fuer die Weihnachtskarten.

Die Woche ist immerhin jetzt zu Ende, aber ich bin immer noch - wie ich finde zu Recht - frustriert. Und ferner finde ich, wenn dem der Fall ist, dann muss ich das auch so schreiben wie es ist, jetzt, wo ich immerhin schreiben kann. Vier Tage hat es gedauert, an den Laptop zu kommen, den uns der Gastpapa schon Montag hatte ausleihen wollen. "Morgen koennt ihr ihn abholen!" - nicht da. "Morgen bring ich ihn" - kommt net. Als er ihn tatsaechlich mitbringt, ist der Akku leer, und das Kabel liegt sonstwo. Wir fahren sonstwo hin - aber da ist es auch nicht. Wieder heisst es morgen, morgen, morgen. Derweil liegt der ganze Block, in dem sich die beiden Internetcafes Ukundas befinden, internetmaessig brach. Ich springe im Sechseck. Neuen Freiwilligen Infos schreiben soll ich, der Blog will auf dem Leufenden gehalten werden und die ein oder andere Neuigkeit zum womoeglich bevorstehenden Umzug nach England gibt es auch - ich komm nur nicht ran und kann nicht reagieren.

Ich fuehle mich, als ob ich einen Schnaps brauche, oder eine Massage, und entscheide mich fuer Letzteres, da die Auswirkungen auf die Kopfschmerzbilanz wahrscheinlich die besseren sind. Am Abend geschieht das Wunder: Computer, Kabel, ich und eine funktionierende Internetverbindung sind alle gleichzeitig am selben Ort vorhanden. Hier das Resultat.

Derweil ist die Gastmama krank geworden und kaempft sich fiebrig durch den Tag. Die Kinder werden anstrengend. Der Kleine pieselt beim Abendessen in aller Ruhe auf den Teppich - Wegwischen Fehlanzeige. Das Kind wird umgezogen, waehrend im Wohnzimmer die Fluessigkeit langsam versickert - ich will nichts mehr essen, ist eh zum zehnten Mal die Woche Ugali. Reis zu teuer. In unserem Zimmer geht seit Montag das Licht nicht mehr, ebenso wie im Klo. Gluehbirnen vermutlich auch zu teuer, denn da werden wir genauso vertroestet wie mit dem Laptop, und der kostet immerhin nichts. Wir schlafen wieder draussen, denn der Hof ist beleuchtet.

Sonst ist die zweite Wochenhaelfte hauptsaechlich ereignislos verlaufen. Ein zweiter, nicht sonderlich weiterfuehrender Besuch im Kinderheim, wo zur Zeit nur noch zwei Kinder wohnen, die weitgehend mit sich selbst beschaeftigt waren und dann zum Mittagsschlaf ins Zimmer geschickt wurden, stand Donnerstag auf dem Programm. Gerade diese zwei Kinder, die aus verschiedenen Gruenden nicht zur naeheren Verwandschaft fahren konnten ueber die Ferien, wollte ich ja gerne auf einen Ausflug mitnehmen, aber leider war der Manager noch in Nairobi da und konnte damit auch das OK nicht geben. Ein neuer Versuch ist fuer naechste Woche geplant.
Ich besuche das Teens Watch Projekt zur Drogenpraevention, doch an dem Nachmittag ist dort nicht mehr viel los. Ich muss ein andermal wiederkommen.
Viele unschoene Neuigkeiten gibt es dieser Tage ueber Kriminaliteat in der Region, das ist eigentlich das Schlimmste. Durch die Regenzeit ist gerade Nebensaison fuer die Hotelindustrie, und die Jobs werden knapp. Den Leuten fehlt das Geld, und der Frust waechst und endlaedt sich in Diebstahl, Gewalt und anderen unschoenen Dingen, von denen man jetzt regelmaessig hoert und die meine Laune betraechtlich einschraenken. Und als waere man nicht schon ungluecklich genug mit einem Nachbarland wie Somalia, faengt es nun auch im Suedsudan wieder an zu krieseln, und neben den bedauernswerten Fluechtlingen kommen auch Waffen ueber die Grenze - jedenfalls klingt die Nachrichtenlage im irre tollen kenianischen TV nicht besonders vertrauenerweckend.
Und dann heute das Papierprojekt als Kroenung .... nun ja. Tolle Woche, sag ich ja. Dabei liegt es gar nicht an mir! Ich bin hier und habe Zeit und Lust etwas zu machen, aber die Nachfrageseite kommt nicht so richtig in die Puschen.

Ich empfinde diese Woche, wo ich ja eigentlich gar nicht geregelt arbeiten gehe, als viel anstrengender als die zurueckliegenden vier. In den Pausen (von was eigentlich? Hauptsaechlich vom Aergern, wuerde ich sagen) Aber schliesslich ist es eine der Hauptsachen, die man lernt in Afrika: Nichts mehr fuer selbstverstandlich zu halten. Ich verspreche jedenfalls hoch und heilig, mich in Zukunft ueber alles zu freuen, was auf Anhieb funktioniert.

Mittwoch, 18. April 2012

Mzungu

Ich weiss nicht, ob sich der ein oder andere von euch mal gefragt hat, wie es fuer einen Schwarzen (oder Maximalpigmentierten, oder Mitbuerger mit afrikanischem Migrationshintergrund oder wie auch immer das zur Zeit gerade politisch korrekt heisst) ist, in Westeuropa ueber die Strasse zu laufen. Ich glaube inzwischen, angenehmer, als fuer einen Weissen hier. Denn bei uns zeigt glaub ich keiner mehr auf diese Leute und ruft "Schwarzer!", oder sogar das boese Wort mit N, oder sonst irgendetwas, so laut, dass die Person es hoert, und mit einem Tonfall, als laufe eine Zirkusattraktion durch den Ort.
Jedenfalls weiss ich inzwischen, wie es ist, herumzulaufen und sich zu fuehlen, wie ein bunter Hund, und nichts dagegen tun zu koennen.
Man lernt schnell, das Wort "Mzungu" herauszuhoeren aus dem Suaheligemurmel der Einheimischen, denn es ist das, was die meisten Leute, die Kinder, die Ladenbesitzer sagen, wenn man vorbeilaeuft, sie einen sichten und manchmal mit dem Finger zeigen. Meine gute Freundin, Frau Wiki Pedia, uebersetzt den Begriff woertlich mit "zielloser Wanderer', und meint, es waere die allgemeine Bezeichnung fuer Auslaender. Letztendlich laeuft es aber darauf hinaus, dass es nur die Weissen sind, die so genannt werden.
Am Anfang fand ich es niedlich, wenn die kleinen Kinder auf der Strasse gelaufen kamen und "Mzungu Mzungu" riefen, um die Geschwister anzulocken oder einfach, weil ich vielleicht ein nicht alltaeglicher Besuch war. Aber allmaehlich finde ich, dass mit zunehmender Dauer des Aufenthalts der Begriff immer mehr beginnt zu nerven. Wenn der Kassierer im Matatu mich am Arm packt, auf einen anderen Platz zeigt und mir sagt "Eh, Mzungu, go sit there", dann komme ich mir schon irgendwie diskriminiert vor gegenueber anderen Anreden wie "Madam" oder meinetwegen auch "Mama", die sonst so benutzt werden.
Als Weisser rennt man ohnehin schon mit einem unsichtbaren Schild auf der Stirn herum, auf dem geschrieben stehen muss "Hallo, hier bin ich, ich habe Geld, und ich kann es kaum erwarten es hier in grossen Mengen zu verteilen", jedenfalls nach der Art zu urteilen, nach der die erwachsenen Benutzer des Wortes Mzungu auf einen zugehen. Und jeder Fingerzeig verknuepft mit diesem Wort klingt so nach einem Hinweis auf dieses Schild, und ich beginne mich unwohl zu fuehlen.
Zum Glueck sind nicht alle so. Und ich glaube nicht mal, dass die meisten es boese meinen. Aber wenn man bei uns aufgewachsen ist und staendig die Debatten ueber Political Correctness, Nichtdiskriminierung und Gleichberechtigung mit anhoert, dann ist es schon seltsam, sich ploetzlich auf der anderen Seite zu befinden.
Zum Glueck besitzen wir Koelschen ja so etwas wie Selbstironie, und genauso, wie die Schwarzen in der Bronx sich selbst mit dem boesen Wort mit N bezeichnen duerfen, ist es auch vollkommen ok, sich selbst Mzungu zu nennen, wenn man eben einer ist - und ds ist ja nun eindeutig der Fall. Deshalb heisst auch der Blog so. Und deshalb sage ich dem Typen im Matatu auch, ich moechte einmal fuer zwei Mzungus bezahlen, bitte. "Du bist kein Mzungu", sagt er dann lachend zu mir, "du siehst aus wie eine von hier. Eine weisse Afrikanerin". Und er gibt mir soviel Wechselgeld zurueck, dass ich den gleichen Preis zahle wie die Einheimischen. Find ich gut.

Dienstag, 17. April 2012

Dampfbad

Sarina, die andere deutsche Freiwillige, die mit mir gemeinsam hier wohnt, und ich flüchten aus dem überhitzten Haus in den Innenhof. Das Wochenende ist vorbei und damit auch die Zeit am schönen, luftigen Strand, an dem ich den größten Teil des Sonntags verbracht hatte, nachdem Sarina und ich Sonntag morgen beschlossen hatten, brunchen zu gehen. Zu Hause hatte es, wohl als Entschädigung für das ausgefallene Frühstück anderntags, gebratene Toastscheiben gegeben, und wir mussten einfach kosten (lecker!), ließen den Großteil aber für die Kinder übrig und gingen selbst ein Omelette essen.

Jetzt sitzen wir auf der Terrasse und wünschten uns, wir könnten hier draußen schlafen. Ich bin etwas erkältet, trotz ständiger Einnahme von Antibiotika, huste irgendwelches Zeug herum, dessen Farbe und Konsistenz ich nicht näher beschreiben möchte, und habe als Ursache schwer das nächtliche Schwitzen im Verdacht.

Ich erinnere mich nicht mehr dran, wer es zuerst sagt, aber jedenfalls ist man zu zweit ja meist um einiges forscher als alleine und deswegen fällt uns recht schnell kein Gegenargument mehr ein, warum wir eigentlich nicht tatsächlich draußen schlafen sollten.
Zwei Minuten später liegt die Matratze im Hof. Ich versuche mir vorzustellen, wie meine Mutter reagiert hätte, wenn unsere Austauschschülerin auf die Idee gekommen wäre, ihr halbes Bett in unseren Garten zu verfrachten... aber die Dinge sind hier eben anders. Matratzen liegen reihenweise draußen im Dreck alias Laden, bevor sie gekauft werden, ebenso wie Betten und überhaupt alles, was man hier so erwerben kann und was, quasi als Neuware, schon dreckig und verstaubt zu Hause ankommt, ohne dass es irgendwen irgendwie stört. Wir befinden nach kurzer Begutachtung den Hof draußen für sauberer als das Bettgestell und halten die Maßnahme kurzerhand für gerechtfertigt - endlich eine Nacht ohne Schwitzen!

Mzungu Camp :)

Schnell dem Wachmann bescheid sagen, er solle sich nicht wundern, eine Tonne Moskitospray drauf und nichts wie rein in die Koje unter dem tollen afrikanischen Sternenhimmel. Eine komische Katze läuft noch umher und jagt eine Kröte, dann ist Ruhe, und ich schlafe wahnsinnig gut. Das mach ich ab jetzt öfter.

Am nächsten Morgen gegen sieben weckt uns erst die lachende Gastmama, dann leichtes Getröpfel, und wir verziehen uns wieder nach drinnen. Später am Vormittag mache ich mich auf in Richtung Kinderheim, ein gutes Stück entfernt von Ukunda im hügeligen Hinterland, wo ich ja eigentlich diese und die nächste Woche verbringen sollte. Doch dort angekommen gibt es Missverständnisse: Die Kinder sollten eigentlich in ein Taekwondo-Camp, dies jedoch fällt nun aus und infolgedessen wurde beschlossen, sie früher nach Hause zu ihren Verwandten zu schicken, sodass ab Dienstag das Heim weitgehend leer gefegt sein würde. Nach einigem Hin und Her beschließe ich, unter diesen Umständen erst wieder zu kommen, wenn auch die Kinder wieder da sind, und verlasse leicht irritiert und mit Sack und Pack das Heim wieder. Wo ich aber schonmal gerade in Kwale bin, besuche ich dort die Schule für Homöopathie, deren Schwesternschülerinnen beim Medical Camp dabei gewesen waren - eine wirklich schöne Einrichtung! Und Homöopathie hilft offenbar auch gegen meine Erkältung, jedenfalls probiere ich es aus.
Danach fahre ich wieder nach Hause. Favour ist irritiert, dass ich schon so schnell wieder da bin, und ich auch. Zum Glück habe ich eine Menge Ideen, wie ich mich den Rest der Woche vor Ort nützlich machen kann.

Aus einer zweiten Nacht im Freien wird allerdings nur bedingt etwas. Gegen vier Uhr morgens setzen die heftigsten Regenfälle ein, die ich seit Ankunft hier erlebt habe - die Geräuschkulisse auf dem Blechdach klingt nach Weltuntergang und ich bin positiv überrascht, dass morgens das Haus nicht unter Wasser steht. Als wir aufstehen (spät), ist das meiste Wasser schon in der heißen Sonne verdampft, und die Luft ist schwer und stickig von der Feuchtigkeit, so wie in einem Dampfbad.
Ich beschließe, den Tag meiner völligen Genesung zugute kommen zu lassen, und fahre mit einem Abstecher an einer herrlichen Saftbar (Riesengläser voll kühlem, frisch gepressten Obstsmoothie für 50 Cent!) in einen Day Spa eines Hotels am Strand. Nach dem ganzen Chaos im Kinderheim, zu Hause (beide Gasteltern wollen und wollen doch nicht in Urlaub fahren, die Kinder mitnehmen oder auch nicht, und können sich nicht einigen oder eine klare Aussage machen) und in meiner Lunge finde ich das gerechtfertigt, auch wenn heute eigentlich ein Arbeitstag wäre. Nun denn, ab morgen kann ich ja wieder durchstarten.
Den Tag jedenfalls genieße ich sehr. Der Eintritt ist günstig in ein Paradies bestehend aus üppig grüner Vegetation, kleinen Bachläufen und Pools dazwischen mit balinesischen Betten inklusive Dach und Polstern, klimatisierten Räumen, einem Fitnessraum, Pool, Sauna, und einem tatsächlichen Dampfbad, welches den unglücklichen Bronchien einfach irrsinnig gut tut. Es läuft entspannende, ruhige Musik mit einem definitiv asiatischen Klang, und nachdem ich mich frage, warum sie nichts Heimisches spielen, dämmert mir, dass es in Afrika keine (oder zumindest wenig) entspannende Musik gibt. Hier pulsiert das Leben ständig, und genau deshalb ist diese Auszeit heute so besonders. Ich halte mich für völlig irre, bei über dreißig Grad Außentemperatur eine Sauna zu betreten, und tue es aus Neugier trotzdem. Darin knarzt es, und es riecht nach Winter in Deutschland. Ich denke an das Europabad in Karlsruhe, oder die Parksauna Bergheim, oder diese anderen Bäder, in denen man an kalten Tagen daheim schöne Stunden verbringen kann und bleibe dann doch einfach drin, weil ich mich so wohl fühle. Der Vorteil ist, dass die Außentemperatur im Vergleich danach angenehm kühl ist, und der Pool erst recht.
Und wem muss ich dann natürlich noch über den Weg laufen? Der Leiterin meines ersten Projekts. Aber selbst das ist ok, wir unterhalten uns eine Weile und gehen dann getrennte Wege.
Am Ende des Nachmittags fühle ich mich sauber, gesund, entspannt, ausgeglichen und voll neuer Energie für den Rest der Woche. Und da ich mir heute Abend einen Laptop von der Nachbarin leihen konnte, habe ich auch noch eine Menge für den Blog schreiben und so doch noch ein bisschen etwas für das Projekt tun können. Also alles in Butter, oder?


Hier muss die vollständige Bebilderung leider noch auf eine Internetverbindung warten, die den Upload entsprechender Datenmengen erlaubt. Ich bitte um Geduld und Entschuldigung

Sonntag, 15. April 2012

Yvonne hat einen Sponsor!

Vielen, vielen herzlichen Dank der guten Seele, die sich so schnell als Sponsor für die kleine Yvonne aus dem letzten Post gemeldet hat. Ich freue mich so sehr für sie, und ich bin mir sicher, Yvonne und ihre Familie sind sehr, sehr dankbar. Weiter so!

Samstag, 14. April 2012

Hochzeit

Zum ersten mal seit langem verlasse ich das Haus ohne Kopfbedeckung, und mit nackten Unterschenkeln, dafür in den hübschesten Klamotten, die ich dabei hab (was nicht viel heißt). Ich fühle mich unwohl.

Unterwegs bin ich heute mit der anderen Freiwilligen in meinem Projekt, und wir sind gleich auf zwei Hochzeiten eingeladen, mit dem ehrgeizigen Vorhaben, es auf beide zu schaffen. Zuerst geht es nach Ukunda; es heiratet unsere Kollegin Sofie, eine Lehrerin an der Busara Junior, und ich bin sehr gespannt, wie eine Hochzeit hier in Afrika aussieht.


die ersten Gäste schlafen ein, während wir warten
Zunächst mal offenbar so wie alles andere in Kenia: Leer. Um 10 sollte die kirchliche Zeremonie beginnen, wir sind um halb elf weitgehend die ersten Gäste. Ein paar Kinder laufen schon herum, und vor der Tür werden fleißig mehrere Pötte Pilau zubereitet. Aber die Kirche - ein großer Raum von der selben Bauart wie die umgebenden Häuser und von außen nicht als solche zu erkennen, heute aber ausgestattet mit Podest, rosa-schwarzer Deko, jeder Menge Plastikstühlen und Band - ist noch ziemlich leer. Um halb zwölf gehen wir nebenan einen Tee trinken und Chapati essen. Kurz nach 12 trifft die Braut ein, sogar im Auto, mit jeder Menge Brautjungfern, alle in rosa. Vermutlich hat die Übergabe der Kuh, die der Ehemann in Kenia offenbar den Brauteltern schenken muss, heute morgen zu lang gedauert. In der Kirche werden seit einer Stunde Gospel gesungen, und die Leute haben noch immer gute Laune und tanzen. Langsam, ganz langsam endlich schreitet die Braut flankiert von ihren Eltern in die Kirche. Für die paar Meter von der Tür bis auf die Bühne braucht sie bestmmt 20 Minuten. Wir langweilen uns. Die Brautleute nehmen jeweils mit ihren Familien gegenüber voneinander an verschiedenen Enden der Bühne Platz. Und endlich sieht es so aus, als würde etwas passieren, doch - wieder Gesinge, Gospel, Warten.
das Auto sieht ein bisschen fehl am Platz aus, aber schick!

Wir beschießen, die Hochzeit zu verlassen und auf die zweite Hochzeit nach Mombasa zu fahren. Die Fahrt dauert die übliche Dreiviertelstunde, inklusive Ferry. Und dann erreichen wir die Frau nicht, auf die wir angewiesen sind, um den Ort der Hochzeit zu finden. Deshalb gehen wir erstmal in einer Saftbar ein tolles Obstshake trinken. Als wir endlich rauskriegen, wo wir hinmüssen, nehmen wir ein Tuk Tuk, dessen Fahrer uns versichert, er wisse wohin, und sich dann doch verfährt. Nach langem Gefrage findet er den Ort - und beruhigt uns die ganze Zeit, wir müssen keine Angst haben, denn er passe auf uns auf. Dass wir bester Laune sind, entgeht ihm völlig. Wir erzählen ihm Märchen, wo wir herkommen, und er erzählt uns, wie arg er schon immer dorthin wollte.
Das zweite Brautpaar hat offensichtlich einiges mehr an Geld in die Zeremonie investiert als das erste. Die Halle ist riesig und voll mit gut gekleideten Leuten. Wir müssen uns ganz nach vorn setzen, wo unsere Gastmutter und die beiden Kinder sind. Das Essen und die eigentliche Trauung haben wir verpasst, Mist! Gerade sind sie beim Anschneiden der Hochzeitstorte. Unter Lobpreisungsgesängen für den Kuchen funktioniert das in etwa wie in Deutschland auch: Mit einem Messer und zwei Händen. Zwei schöne, vasenförmige Teile des modularen Kuchens werden zunächst den Elternpaaren überreicht, der Rest aufgeschnitten und mit der Gabel den übrigen Familienangehörigen direkt in den Mund gesteckt. Die anderen Gäste bekommen im Anschluss ein etwa zwei Kubikzentimeter großes Stück des Rührkuchens in Folie verpackt, aber lecker schmeckts doch.
Anschneiden der Hochzeitstorte
Dann erfolgt die Geschenkübergabe unter großem Gesinge und Getanze, zuerst ist wieder die Familie dran, und die Brautleute bekommen Matratzen und Geschirr und Gas zum Kochen. Eine richtige, coole Big Mama tänzelt vor und übergibt mit dem dicken Hinterteil wackelnd lachend die Geschenke. Auch eine sehr alte Frau, bestimmt die Oma, tanzt noch locker mit. In Deutschland wäre sie mit dem Rollator gekommen, sicher.
Dann sind wir dran. Zum Glück habe ich eine Kleinigkeit dabei. Ich umarme die mir völlig Fremden und wünsche ihnen alles Gute - und sie freuen sich über die Gäste aus der Ferne, sagen sie zumindest. Wer weiß, worauf sie hoffen zu stoßen, wenn sie unser kleines Päckchen auspacken...
Mit noch mehr Getanze und Gesinge klingt die Hochzeit aus. Die frisch Vermälten werden mit Girlanden behängt und durch die Halle getragen, dann ist offiziell Schluss. Ich freue mich, dass unsere Hochzeiten in Deutschland länger dauern. Aber hier reicht es jetzt auch.

Wir fahren zurück in die Stadt zum Abendessen, da wir ja um das Hochzeitsessen gebracht wurden (echt fies, denn in den schönen Schalen des Partyservices hatten wir noch Reste entdeckt). Ich genieße es, mal wieder in einer Stadt zu sein, und auch wenn Mombasa weder schillernde Hochhäuser noch Straßenbahnen oder Leuchtreklamen aufweisen kann, gibt es mir doch ein urbanes Gefühl. Ich liebe Städte. Es ist Wahnsinn, was eine Stadt einem alles bietet, und ich vermisse wirklich meine Heimatstadt 2011, Montréal, und ihr Leben. Ich bezweifle, dass Mombasa da mithalten kann, aber im Vergleich zu Ukunda ist es trotzdem eine Stadt, und heute hätte ich einen Tag in der Stadt gegen jeden Strand der Welt eingetauscht. Ich bin froh, hier zu sein. Es ist, wie einen Tag auszubrechen aus dem Arbeitsalltag und in eine Oase zu kommen, nur das diese Oase eben nicht aus blauem Wasser und Palmen besteht, sondern laut ist und stinkt und vor sich hinwuselt. Aber genau das brauche ich manchmal, und es ist toll.

Fassaden von Mombasa

Wir gehen in ein Restaurant, schlendern über den Markt, und ich kaufe ein Kleid, das ich von 17 auf 6 Euro heruntergehandelt bekomme. Dann bummeln wir durch die Straßen und ich genieße einfach die Atmosphäre. Mombasa ist alt und dreckig, wie spanische Hinterhöfe, oder Nebenstraßen der Bronx oder schlimmer, aber es gibt ein paar Parks, hübsche Moscheen, größere Hotels. Die Straßen sind voll und chaotisch. Man fällt als Weißer nicht ganz so auf, wenn auch öfters mal ein Kind mit aufgehaltenen Händen vor mir auftaucht und dreist "give me money" fordert.



Ich wäre gern länger geblieben, doch als es dunkel wird, fahren wir zurück nach Ukunda und nach Hause. Meinen Kopf voller Ideen hätte ich gerne sofort für den Blog geschrieben, doch der längste Stromausfall seit ich hierbin macht diesen Plan zunichte. Erst bin ich frustriert, doch dann entdecke ich den Vorteil der allgegenwärtigen Dunkelheit: Heute ist ein unübertrefflich schöner Sternenhimmel zu sehen. Man erkennt Sterne, die man sonst nie sieht, in zu Wolken verschwimmenden Schwaden, die keinen Zweifel daran lassen, wo das Zentrum der Milchstraße liegt. Ich sitze auf der Terrasse und genieße (leider hat die Bar in der Nähe für ihre blöde Musik wohl einen Generator, sonst wäre es noch schöner gewesen). Als der Strom um eins immer noch nicht da ist, gehe ich schlafen. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Freitag, 13. April 2012

Projekte

Als ich mich bei future for kids beworben hatte, das Projekt zu wechseln, hatte ich einen Link zu meiner Bewerbungswebseite geschickt. Das hatte zwei Dinge zur Folge: Zum einen wurde ich quasi über Nacht problemlos als neue Freiwillige angenommen, zum anderen hatte Philip, der Leiter der Diani Busara Junior School, angesichts dieser Seite wohl Folgendes geschlossen:

a) ich könne offenbar Webseiten zusammenbauen (was nur sehr eingeschränkt stimmt) und 
b) ich habe Erfahrung im Organisieren von Schüleraustauschprogrammen (so steht es auf dieser Webseite und das stimmt sogar).

Philip, derweil, ist auf dem besten Weg der neue Martin Luther King zu werden, so oft zitiert er mit verklärtem Blick dessen berühmte Zeilen "I have a dream". Er träumt wirklich von einer ganzen Menge, angefangen von einer Secondary School bis hin zur Uni, von Ruhm und Reisen, und es braucht eine Menge Leute, um ihn auf dem Teppich zu halten. Nun habe ich nichts gegen Erfindergeist und gute Ideen, aber ich kannte ihn kaum, am ersten Tag, als wir uns trafen, und schon wurde ich voll eingespannt in seine neueste Idee:
Er möchte eine zentrale Organisation gründen, um Freiwillige nach Kenia zu holen und dann hier auf verschiedenartige Projekte aufzuteilen. Und er sei überzeugt, dass ich die Richtige sei, ihm dabei zu helfen. Eigentlich möchte ich seine Euphorie ein wenig bremsen, als ich ihm erkläre, in welchen Grenzen ich so etwas nur für möglich halte, solange es eine Non-Profit-Sache bleibt, doch von Bremsen kann keine Rede sein. Ich kann Philip nicht mehr von dem Gedanken abbringen, dass ich genau der "Experte" bin, nachdem er gesucht hat. Wenige Tage später setzt er mich mit zwei Webdesignern zusammen, die eine entsprechende Internetpräsenz erstellen sollen, und ich habe meine liebe Mühe, zu erklären, dass eine Webseite nun wirklich der allerletzte Schritt ist, nachdem erst alle Informationen gesammelt wurden. Überdies verlangen die beiden einfach viel zu viel Geld. 
Ich lasse mich breitschlagen, die Webseite selber zu erstellen, unter der Bedingung, dass ich alle Projekte, die ich darauf verlinken soll, selbst besuchen und zur Not ablehnen kann. Und ich für das Projekt nachher keine Verantwortung tragen muss, kein Geld hineininvestiere und Philip sich zuallererst um seine Schule kümmert. Er schlägt ein.

Heute, Freitag, sind wir also verabredet, um so viele seiner ins Auge gefassten Projekte wie möglich zu besuchen. Ich trinke einen netten Kaffee (instant, aber besser als nichts) im Schatten des Rongai-Restaurants an der Hauptkreuzung Ukundas, während ich morgens um acht auf Philip warte. Er kommt in Begleitung einer Schulmitarbeiterin und zwei Motorradfahrern sowie eines Lehrers derjenigen Schule, an der wir das Medical Camp abgehalten hatten und welches auf meinen Wunsch hin in die Projektliste aufgenommen wurde. Diese Schule besuchen wir zuerst. 
Danach geht es weiter in ein Kinderheim, ein Zentrum für Drogenaufklärung und Rehabilitation, Mittagessen, dann in eine kostenlose Geburtsklinik und ein Zentrum für Gesundheitsvorsorge und Aids-Aufklärung. Es ist ein langer Tag, und ein richtig interessanter noch dazu. Mein Notizbuch wird immer voller, und auf meinem Fotoapparat türmen sich Bilder der Projekte neben Schnappschüssen der dazwischenliegenden Motorradfahrten durch das hübsche Hinterland und über Straßen, die ich sonst sicher nie gesehen hätte.
Mich beeindruckt die Leiterin des Kinderheims, die sehr spezifische Vorstellungen darüber hat, was in ihrem Heim so vor sich gehen sollte und welche Qualitäten ein Voluntär mitbringen muss. Sie weiß bescheid über ihre Schützlinge, sie stellt denen Wohl an allererste Stelle mit so vielen Beispielen und Zuneigung in der Stimme, dass man ihr einfach glauben muss. Und sie ist die erste hier, die ich treffe, die so klare Ansagen macht wie man sie aus Deutschland gewohnt ist, und während sich meine kenianische Begleitung offenbar Sorgen macht, wie ich damit zurecht komme, bin ich sehr zufrieden und habe den positiven Eindruck, mit der Frau könne man arbeiten.   
Auch das Zentrum für Drogenberatung ist sehr spannend. Ich erkundige mich nach allem Möglichen, doch leider ist die Zeit knapp bemessen. Deshalb möchte ich mir wirklich mal gern einen Tag Zeit nehmen, um mit den Leuten raus in die Schulen und in die Slums zu fahren, um dort Präventionsmaßnahmen gegen Drogenmissbrauch, Prostitution und HIV zu betreiben, weil ich das für so wahnsinnig wichtig halte. 
Letztlich die Geburtsklinik - Wahnsinn, mit welch geringen Standards hier gearbeitet wird und wie es trotzdem so viel besser ist als ein Baby einfach so auf dem Feld zu bekommen. Das ganze Besteck, was herum liegt, sieht unhygienisch braun aus, doch mir wird versichert, dies käme alles vom Chlor, mit dem hier desinfiziert werde. 94 Kinder seien diesen Monat schon zur Welt gekommen, erklärt die Oberschwester glücklich, das letzte vor vier Stunden, und die Mutter sei schon gegangen. Ich glaube ja, dass die Leute in Afrika ihre Kinder noch viel einfacher bekommen können als wir in Europa, wo es ständig Komplikationen gibt, oder in Asien, wo de facto jede Geburt ein Kaiserschnitt ist. Aber wenn es anders wäre, hätten sie hier auch ein Problem. Kaiserschnitt ist nicht drin, denn einen OP gibt es nicht. Es gibt überhaupt nicht viel; die Dame erklärt mir, wie sehr sie sich über eine Spende einer Kiste Gummihandschuhe freuen würde, oder dieser kleinen manuellen Pumpen, mit denen man Säuglingen das Nasensekret absaugen kann. Wer dies hier also liest, bald nach Kenia kommt und einen netten Doktor kennt: Ihr wisst, was ihr zu tun habt!
Draußen tummeln sich Leute - Frauen bringen ihre Kleinkinder zu Vorsorgeuntersuchungen, die Babys werden gewogen und geimpft. In einem anderen Gebäude ist Betreuung angesagt - Mütter, die vor kurzem eine positive HIV-Diagnose verkraften mussten, werden medizinisch und (pseudo-)psychologisch (natürlich ist kein ausgebildeter Psychologe vor Ort, sondern Freiwillige) betreut. Oberstes Ziel ist es, der Mutter ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen und zu verhindern, dass die Krankheit auf das Ungeborene übertragen wird. 

Ich habe schon den Eindruck, dass es keine schlechte Idee von Philip ist, all diesen Projekten Freiwillige zukommen zu lassen (bzw genauer gesagt, über eine zentrale Seite zukommen zu lassen, denn natürlich haben sie alle schon ab und an mal jemanden da). Ich jedenfalls hätte in jedem der heute besuchten Projekte angeheuert :) Vielleicht werde ich das ein oder andere auch nochmal zumindest einen Tag besuchen, doch letztendlich, denke ich, bin ich in der Schule schon gut aufgehoben. Ich mag die Arbeit mit den Kindern, und ich hoffe, ich kann ihnen etwas beibringen und ihnen damit helfen, einen Grundstein für ihre Zukunft zu legen. Doch natürlich sind hier noch so viele andere Dinge im Argen, dass es schön ist, zu sehen, wie viele Leute es hier gibt, die sich engagieren diese Dinge zu verbessern.

Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende. Ich muss noch nach Downtown Ukunda, ein Hochzeitsgeschenk für morgen kaufen (das hat man mir in letzter Sekunde gesagt, und ich bin froh, dass mich meine ehemalige kenianische Kollegin Winnie begleitet, die weiß, was man hier zu solchen Anlässen besorgt und was nicht), dann fahre ich heim und - die Tatsache, dass Freitag Abend ist ignorierend - falle ins Bett.     Das Wochenende kann kommen.

aufgrund eines Mangels an verfügbaren Computern, Internet mit gescheitem Datenvolumen bzw. Internet allgemein werden Bilder zu diesem Post erst in den nächsten Tagen zugefügt werden können. Ich bitte um Entschuldigung 

Donnerstag, 12. April 2012

Abschied

Heute Nacht ist ausnahmsweise mal ruhig gewesen. Das Kleinkind hat wenig gebrüllt, die Gastmama nicht nachts um drei telefoniert. Das einzige, was stört, ist die Hitze. Durch das Kochen mit offenem Feuer sind in der Bude bestimmt an die 40 Grad. Ich schwitze so arg, dass ich mich zweimal umziehe diese Nacht. Als ich aufstehe, gibt's kein Frühstück - Geld für Brot, Butter und Milch war nicht da, und der Familienvater hatte versäumt, die Lebensmittel vorbei zu bringen. Auf der Suche nach einem Chapatistand auf dem Weg zur Schule verlaufe ich mich und komme erst nach einer Stunde Geirre durch den Busch erschöpft an.
Eigentlich habe ich einen verdammt guten Orientierungssinn - ich finde mich in jeder Stadt sofort zurecht, und diejenigen, die ich letzten Sommer durch Toronto und Montreal gelotst habe, werden das bestätigen. Aber hier rennt man andauernd in irgendwelche Sackgassen, und obwohl man die Richtung kennt, in die man will, kommt man durch das Hinterland einfach nicht durch, wie in einem Labyrinth.


der Brunnen mit fließendem Wasser!
In der Schule ist Birgit schon da und wir beschriften Schulbänke und Tische mit den Namen der Sponsoren. Die danach mit Lackstift bekleckerten Finger können erstmals unter fließend Wasser gewaschen werden, wofür die Rohre in den letzten Tagen endlich gelegt wurden. Viele Eltern sind heute in der Schule und holen die Zeugnisse ihrer Kinder ab. Ich treffe nochmal den Vater der 10 Kinder vom Hausbesuch, und er hat seine Tochter, meine Namensvetterin, dabei. Sie ist sehr schüchtern, die Haare sind kurz, weil das Geld für den Frisör fehlt, und sie sieht aus wie ein Junge, aber sie lacht sofort, als wir sie fotographieren. Ich frage sie nach ihrem Lieblingsfach. "Mathe", sagt sie. Sehr sympathisch. Ich hoffe sehr, dass sich bald ein netter Sponsor für sie finden lässt!

die kleine Yvonne (im Vordergrund, nicht ich) sucht einen Sponsor!




Ein anderer Namensvetter, der kleine Yasin, hat mehr Glück im Leben. Heute tippe ich ihm am PC auf offiziellem Schulpapier einen Brief ab, der bescheinigt, dass er den Mai über nicht zur Schule kommen muss, weil er nach Deutschland fliegen darf. Leider sieht der Brief nicht offiziell aus, da die schwarze Tinte aus ist und wir blaue nehmen müssen. Das sollte dem Kleinen aber egal sein.

Dann fahre ich zum letzten Mal mit Birgit und Familie in den Marula Park, denn die Familie reist heute Nacht noch ab, und nimmt mich zum Abschied nochmal mit. Mit den Nachbarn Tina und Jürgen fahre ich später noch eine Runde nach Ukunda, um einfach nur durch die Straßen zu spazieren. Wir wählen die Gegend, in der ich bis zu meinem Umzug gewohnt hatte, und obwohl der Ausflug kurz ist, freue ich mich, durch die gewohnte Umgebung zu schlendern. Im Gegenzug für die "Stadtführung" benutze ich nun gerade den Laptop der beiden - und Abendessen gabs auch. Ich finde, das ist ein Superdeal - danke an die zwei!

Apropos Abendessen - gestern gabs doch kein Pilau mehr, denn die beiden Mädels, die abgereist sind, waren am Strand zum Fisch essen. Es war noch früh und ich hatte auf einmal auch wahnsinnige Lust, an den Strand zu fahren, ins Kühle, und dort etwas Gescheites zu essen, also fuhr ich kurzerhand in die Strandbar und bestellte mir verschämt ein Stückchen Rinderfilet mit Kartoffelbrei für acht Euro. Die folgende Geschmacksexplosion nach Wochen Ugali un Bohnen katapultierte meine Geschmacksnerven in den siebten Himmel, und ich guckte sehnsüchtig über das Wasser und wünschte mir Gesellschaft, um diesen Abend zu teilen. Zum ersten mal seit langem, und ganz bestimmt zum ersten mal nach nur drei Wochen Abwesenheit, verspürte ich ein ganz kleines bisschen Heimweh. Ich spazierte den Strand hinunter unter dem tollen Sternenhimmel und dachte an das, worauf ich mich freuen werde, wenn ich im Juni wieder nach Hause komme. Und dann dachte ich an das, worauf ich mich hier noch freue in den kommenden acht Wochen. Das ist schließlich auch schön!
Um acht kamen die Mädels von Fischrestaurant zurück und sammelten mich mit dem Motorrad ein, um den Rückweg anzutreten. Wenig später war dann gepackt und die zwei fuhren zum Flughafen, so wie heute nacht Birgit, und die ganzen anderen Leute, die ich hier kennen gelernt habe, in den nächsten Tagen. Ich befürchte, dass ich mich danach vielleicht ein bisschen allein fühlen werde. Aber wer weiß, welche Bekanntschaften sich dann ergeben?