Montag, 14. Mai 2012

Dar-es-Salaam

Bis genau 14 Uhr hat es Spass gemacht, mit dem Bus durch die wirklich wunderbare, saftig gruene Landschaft von Ukunda Richtung Dr-es-Salaam zu fahren. OK, ein paar kleine Abstriche gab es: Zum einen habe ich mir beim Ausfuellen meiner Visaunterlagen fuer Tansania am dafuer vorgesehenen Tisch (genauer gesagt einem daraus hervorsteehnden Nagel) meine neue Lieblingshose und mein Knie zerrissen (und danach gemuetlich bei der Immigration gehockt und beides wieder geflickt), und zum anderen ist der Fahrer mal wieder so gefahren, dass ich dachte, ich sei die einzige im Bus, die keine Todessehnsucht hat.

Aber um 14 Uhr beginnt es dann zu regnen, und der Bus ist undicht. Es steigen immer mehr Leute ein, nachher stehen sie sogar im Gang, und die Fahrt nimmt kein Ende. Heute morgen in Ukunda war Sarina so lieb, mich bis zur Haltestelle zu begleiten. Halb sieben, hatte man mir gesagt. Der Tag hate schon nicht allzu schoen begonnen - wir hatten ein paar knochige Katzenbabys gepflegt, die schon so aussahen, als haetten sie keinerlei Ueberlebenschance, und das zweite hatte nun seine zweite Nacht nicht ueberstanden. So sitzen Sarina und ich bedroeppelt an der Haltestelle und warten auf den Bus, der mit anderthalb Stunden Verspaetung ankommt und dann - wie gesagt - so Richtung Grenze faehrt, als wolle er die um jeden Preis wieder einholen. Es sei vorweggenommen dass er das nicht schafft, wir sollten mit 3 Stunden Verspaetung ankommen, und zwar im Dunkeln, was ich unbedingt vermeiden wollte.
Der Grenzuebergang verlaeuft - bis auf die Sache mit dem Knie - problemlos. Niemand sagt mir, was ich tun soll, aber irgendwie klappt es dann doch. In meinem Bus bin ich die einzige Touristin. Hinter der Grenze werden die Strassen dann deutlich besser - etwa so, wie eine deutsche Landstrasse. Und es gibt tolle Sachen hier: Zebrastreifen, Schilder, Ampeln, und Verkehrsberuhigungshubbel in der Strasse. Letztere bewegen unsern Fahrer leider bloss dazu, alle paar hundert Meter eine Vollbremsung hinzulegen. Ich schnalle mich notduerftig an und hoffe, dass wir nie aus der Kurve und eine Bruecke runterfliegen oder so. Aber die gut ausgebauten Strassen mit Auslaufzonen und co machen auf jeden Fall optisch den groessten Unterschied her. Liegt die Liebe zu guten, schnell befahrbaren Strassen etwa an der mitunter deutschen Vergangenheit des Landes :)?
Tansania unterscheidet sich sonst auf den ersten Blick nicht sonderlich von Kenia. Dieselbe Mode, dieselbe Architektur (wenn man die Kunst des Lehmhuetenbauens als solche bezeichnen will), Maerkte, Shops, nur die Schilder an den Shops sind neu, weil der Mobilfunkanbieter ein anderer ist: Vodacom. Davon kaufe ich mir bei unserer Mittags- und Pipipause in Tanga (super Name!) gleich eine Simkarte. Wenig Englisch koennen sie hier, und ich bin froh, dass der Simkartenkauf auch mit Haenden und Fuessen klappt, insbesondere weil die Verkaeuferin mir die Karte erst freischalten muss.
Jedes Mal, wenn wir anhalten (etwa als Toiletenstopp), rennt eine Horde fliegender Haendler auf den Bus zu und bietet Getraenke, lokale Agrikulturprodukte, Chips, Nuesse etc durch die Fenster an. Wir haben ein paar Leute im Bus, die die Fahrt offenbar dazu nutzen, eine gross angelegte Einkaufstour zu unternehmen. Einer kauft zwei Saecke Holzkohle an der Strasse (weswegen wir extra halten), andere Koerbe voll Kokosnuessen oder Orangen oder Maiskolben.
Das Beobachten des spannenden Lebens ausserhalb der Fenster endet schlagartig mit Beginn des Regens, wie gesagt. Ich bekomme schlechte Laune, weil Dar-es-Salaam noch immer nirgendwo in Sicht ist, wobei mir versichert wurde, ich sei spaetestens um 4 da (hatte deshalb mit 5 gerechnet, und dachte ich schaffe es zu meinem Termin um 6), und weil ich befuerchte, dass mein gesamtes Gepaeck genauso nass wird wie ich es gerade werde. Um sieben kommen wir endlich an, nach noch einer Stunde Stau im Stadtverkehr. Ich habe keine Ahnung, wie ich im Dunkeln nach Kipepeo kommen soll. Ein Angebot der Unterkunft, mir fuer 50 US-Dollar ein Taxi zu schicken, hatte ich hoeflich abgelehnt.
Und dann kommt mein Retter des Tages auf den Plan: Der Typ, der ein bisschen so aussieht wie Xavier Naidoo und mit dem ich die ganze Fahrt keinen Ton gewechselt hatte. Als ich frage, wie ich nach Kipepeo komme, nimmt er mich kurzerhand mit ins Taxi aus der unschoenen Gegend heraus, in der der Busbahnhof liegt, und ins Zentrum von Dar. Das Taxi zahlt er. Wir gehen in ein Shoppingcenter (richtig gehoert! Klimatisiert! So mit Laeden und Restaurants und so, also, modern!), und dort in einen Apple-Computer-Store, und dort sitzt eine zierliche, lachende Frau, die sich als Partnerin von Xavier herausstellt (ich weiss nicht, wie er wirklich heisst). Und die faehrt mich jetzt mit ihrem Auto zur Faehre. Ich weiss gar nicht wie mir geschieht, so gewoehnt war ich es jetzt, dass ich diejenige bin, die der lokalen Bevoelkerung den ein oder anderen Gefallen tut, und hier sind diese beiden Afrikaner, die mich quer durch Dar-es-Salaam kutschieren, mir erklaeren, ich haette ja auch was fuer ihr Land getan und jetzt koennen sie sich revanchieren, und mir zu allem Ueberfluss noch den Gegenwert von 10  Euro in Tanzania Shillings in die Hand druecken, um mir auf der anderen Seite bloss ein Taxi spendieren zu koennen. Ich weiss gar nicht, wie oft ich mich bedanke, und schaetze mich sehr gluecklich. Ich habe auch ehrlich gesagt meistens ein derartiges Glueck, wenn ich reise und in ungeplante Situationen komme, sei es, in Chicago nachts nicht vom Flughafen zu kommen (eine Frau faehrt uns), oder mich in Kuala Lumpur zu verlaufen (die Person, die ich frage, laedt mich den restlichen Tag zu allen moeglichen coolen Sachen ein). Die Welt ist doch nett, wenn man darueber nachdenkt, und man hilft sich gegenseitig.
Ich stelle auch fest, dass 50 Dollar fuer ein Taxi total ueberzogen gewesen waeren. Insgesamt kostet die Tour jetzt zehn (von dem Geld, das Xavier mir gegeben hat), inklusive Taxi, das er gezahlt hatte. Ich setze mit der Faehre ueber, und werde gruendlich beaeugt, allerdings freundlich, und ich hoere nicht ein einziges mal das Wort "Mzungu". Wie angenehm!
Auf der anderen Seite renne ich durch eine Art Strassenmarkt, auf dem es total lecker riecht, aber ich will nur noch ins Hotel und essen und liegen. Meine Beine sind nach den 11 Stunden Busfahrt taub, und ich hatte mich den ganzen Tag bloss von Toast, Erdnuessen und Vollkornkeksen ernaehrt.
Eine Polizistin hilft mir, ein Taxi zu finden, da ich keinen Nerv habe, mit meinem ganzen Krempel auf ein Mottorrad zu steigen - und dann bin ich um 21 Uhr tasaechlich in meiner Unterkunft angekommen, wo morgen meine Tour starten soll.
Sam, die Tourleaderin, hat sogar auf mich gewartet, und wir setzen uns zusammen, waehrend ich mir noch schnell einen Salat bestelle (auch hier besten Dank an Xavier). Sam kommt aus England, ist ziemlich flippig, aber sehr nett. Es stellt sich heraus, dass die Tour echt wenig besucht ist. Ich wusste, dass es maximal 24 Leute sein koennen, und dass es nicht ausgebucht ist, aber jetzt sind wir bloss.... nunja, zwei (bis nach Livingstone, dann kommen noch zwei dazu fuer den Rest). Und die andere Person ist ein komischer alter Ire, der sich mir nichtmal vorgestellt hat. Nach Sansibar kommen noch ein paar Australierinnen und Neuseelaenderinnen mit, doch wenn wir aus Sansibar wieder abfahren, sind der Ire und ich mit Sam und dem Fahrer die einzigen. Na, Sam hat versprochen sich gut um mich zu kuemmern, also krieg ich jetzt ein Einzelzelt und meine persoenliche Reiseleitung (der Ire macht Sachen gern allein). Auch cool!

Nach dem Essen falle ich nur noch um ins Bett. Ich habe eine kleine Strandhuette gemietet, mit einem Bett darin und Moskitonetz, was auch bitter noetig ist, denn allein auf dem Weg zur zentralen Dusche und zurueck werde ich mal wieder attakiert bis zum Umfallen. Das Camp ist, denke ich, sehr schoen, aber ich sehe es ja gerade bloss im Dunkeln. Im Bett hoere ich das Meer rauschen, das ist klasse. Ich bin froh, dass ich angekommen bin - obwohl der Tag heute eigentlich nach meinem Geschmack war: Endlich wieder auf eigene Verantwortung raus on Tour! Ab jetzt wird mir die Organisation ja wieder abgenommen, der Gedake gefaellt mir erstaunlicherweise. Vielleicht werde ich langsam alt? Ueber diese Frage schlafe ich ein - immerhin muss ich morgen schon um 5 Uhr wieder aufstehen. Und dann gehts nach Sansibar. Genuegend Grund, sich auszuruhen! Insbesondere nach einem solchen Tag voller Hoehen und Tiefen...

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