Sonntag, 6. Mai 2012

Glueckspilz

Das Wochenende war - wie gewuenscht - trocken. Zumindest tagsueber, denn nachts hat es diesmal so arg geregnet, dass das Wasser in unsere Kueche gelaufen ist. Gluecklicherweise trocknet so ein Fliesenboden auch wieder.
Tagsueber jedenfalls ist das Wetter ideal, um nach draussen zu gehen. Ich gehe mal richtig weit spazieren, anderthalb Stunden von zu Hause bis an den Strand und dann am Strand entlang.
Letzteres ist nicht unbedingt die tollste Idee, wenn man seine Ruhe haben moechte. Nachdem ich die ersten paar Beach Boys und Taxifahrer abgewimmelt habe, kommt der naechste Typ, rennt neben mir her und zwingt mir ein Gespraech auf - voellig ignorierend, dass ich auf den Boden starre und ihm nur einsilbig antworte. Unfreundlich ist er nicht, deshalb gebe ich ihm eine Chance, und das ist ein Fehler. Ob ich mitkommen mag, das Dorf anschauen. Das Dorf kenne ich nicht, und ich zoegere einen Moment zu lange, dann packt mich die Neugier und ich gehe mit, einmal die Hauptstrasse rauf und runter. Der Typ derweil laesst sich im naechstbesten Cafe nieder und bestellt uns einen Tee. Na bravo, da ist ja wieder klar, wer den zahlt. Da mir der Typ aber glaubhaft versichert, er sei aus Rwanda und arm und alles (wie wahrscheinlich die meisten hier), und das Essen in Laeden wie dem, in dem wir gerade sitzen, nicht teuer ist, beschliesse ich mal meinen netten Tag zu haben und den Tee und die Linsensuppe mit Ugali springen zu lassen, die er sich dann auch noch bestellt.
Lange dauert es leider nicht, da steht der naechste Typ auf der Matte und erklaert, er wuerde sich dann jetzt mal ein paar Bohnen und Chapatis bestellen und faende es ja so nett von mir, dass ich das zahle. Ich erklaere ihm, dass ich davon ueberhaupt nichts gesagt habe und er sich verziehen soll. Doch er hat das Totschlagargument schlechthin: Ich soll doch froh sein, dass er mich so offen um Geld bittet, andernfalls muesse er naemlich meine Tasche klauen. Voellig arglos und matter-of-factly sagt er das, und ich bin sprachlos. Als ob ich eine Wahl haette! Ich bestelle die Rechnung in dem Laden und will mich verziehen, bevor der Typ irgendetwas bestellen kann. Zweihundert Schilling, sagt der Kellner, zwei Euro. Ich bin mir sicher, das ist zu viel, ueberschlage kurz im Kopf und fuehle mich bestaetigt. Tee kostet selbst im besten Restaurant von Ukunda nur 30 Cent, und in Laeden wie diesem hier ist der Standardpreis fuer Ugali etwa 20 und der von Linsen auch. Wie viel? Frage ich auf die einzelnen Dinge zeigend. Er nennt relative Wucherpreise, doch selbst die zusammen addiert geben weniger als 200. Ich knalle die 200 auf den Tisch und sag, er soll dem anderen Typen fuer das was er mir zu viel berechnet hat sein Mittagessen bringen, dann gehe ich ohne ein weiteres Wort. Natuerlich ruft mir auch niemand nach.
Es ist eine Sache, jemandem Essen zu kaufen, der einen darum bittet. Eine andere, es jemandem zu kaufen der einen dazu zwingt. Aber dann noch vom Restaurant 100% Preisaufschlag reingedrueckt zu bekommen, macht mich echt wuetend.
Das Klau-Argument hoere ich noch zwei mal an diesem Tag. Tatsaechlich wird meine Tasche gluecklicherweise nicht geklaut. Aber ich bin an dem Punkt angekommen, dass ich den Menschen mit Argwohn, zum Teil Ablehnung begegne, jedenfalls denen unten am Strand auf Touristenfang - etwas, was ich eigentlich vermeiden wollte. Bloede Nebensaison!

Am Sonntag werde ich dann mehr als doppelt entschaedigt. Ich bade in einem Hotel, das eigentlich geschlossen ist, bis auf ein paar suedafrikanische Unternehmer, die fuer ein Bergbauunternehmen in der Gegend taetig sind und sich fuer das ganze Jahr dort eingemietet haben. Offenbar bezahlt die Firma ganz gut, denn die insgesamt vier Maenner haben ebensoviele Bedienstete sowie jeweils ein Auto und heute den gesamten Pool fuer eine private Grillparty gemietet. Weil ich zufaellig gerade herumlaufe, werde ich eingeladen. Es gibt Spiesse mit Rinderfilet und Garnelen, frischen Fisch, Folienkartoffeln, Salate, Beilagen, Obst und ein Nachtischbuffet inklusive Eisbombe, in Mengen fuer bestimmt zwanzig Leute. Ich kippe fast aus den Latschen und fuehle mich als echter Glueckspilz! Mit einem Glas Mineralwasser im Pool haengen und frischen Grillduft in der Nase haben ist der absolute Wahnsinn, insbesondere unverhofft!
Nach einer (sehr sehr leckeren) Weile packt das Personal die noch fast vollen Platten weg. Ich frage alarmiert nach, was damit passiert. Keine Sorge, versichern sie mir, das geht jetzt alles an die Angestellten und wenn dann noch Rest sein sollte, an deren Familien. Das finde ich gut.
Die Suedafrikaner erwarten uebrigens keinerlei Gegenleistung (Telefonnummer oder aehnliches), auch das ist mal angenehm.

In jedem Fall war dies ein Wochenende voll kontrastreicher Erlebnisse, die wieder einmal zeigen, wie weit das touristische Leben an der Kueste von dem "wahren" Leben der Leute hier abweicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen