Samstag, 24. März 2012

Medical Camp

Meine Arbeitstage im alten Projekt sind Dienstag bis Samstag, aber an diesem meinem ersten Samstag geht es nicht an die Schule, sondern gleich zu einer tollen Aktivitaet, auf die ich mich ausserorderntlich freue:
Mit Unterstuetzung des ortsansaessigen Rotary Clubs, einer Busladung Schwesternschuelerinnen einer Homoeopathieklinik (ein niederlaendisch gefoerdertes Projekt) samt medizinischer Ausruestung und einem Zahnarzt aus dem guten Palm Beach Hospital soll heute die Schueler einer oeffentlichen Grundschule im Busch samt Angehoerigen kostenlos medizinisch durchgecheckt und versorgt werden.
Ich selbst habe ja keine medizinische Vorbildung, sonst haette ich mir ueberlegt, meine Zeit hier in Afrika der Vebesserung der Situation in Sachen Aids zu widmen. Immer noch finde ich es ein Unding, dass in weiten Teilen des streng glaeubigen Afrikas die katholische Kirche die Benutzung von Kondomen als Suende propagiert, obwohl Vielen nichts anderes bleibt als die Prostitution, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Damit nicht genug vertrauen die Leute in Sachen Gesundheit dann gerne irgendwelchen Hexendoktoren im Busch, und diese verschreiben allen Ernstes Sex mit Jungfrauen als Heilmittel gegen HIV. Da koennte ich im Achteck springen! Und noch mehr. Aber leider kann ich ein solches Projekt eben nicht machen, ohne Medizin studieren oder zumindest eine Ausbildung zur Krankenschwester zu absolvieren.
Deshalb freue ich mich ausserorderntlich, dass ich heute einer Aktion im Namen der Gesundheit zumindest beiwohnen kann und mit zu diesem Medical Camp genommen werde.
Der Kleinbus, mit dem ich hinfahre, transportiert neben mir und der Leiterin des Rotary Clubs noch den Zahnarzt und dessen Ausstattung, die in mehrere grosse Kartons verpackt ist. Wir sind die ersten vor Ort vom Gesundheitskommando - doch viele Schueler und Eltern haben sich schon erwartungsvoll in der Schule eingefunden.




farbenfrohes Wartezimmer
Wir beschliessen, mit dem anzufangen, was da ist. Die Patienten werden im Schulhof versammelt, und der Schulleiter spricht ein paar einleitende Worte auf Kisuaheli, dann auf Englisch, was aber die meisten der juengeren Kinder noch nicht verstehen. Dabei grinst er, und die Kinder lachen, und ich finde es toll, dass alle so positiv an die Sache herangehen. Ich darf mich nuetzlich machen und einen Vortrag ueber Mundhygiene halten. Mit Hilfe dieses tollen Riesengebisses und einer Zahnbuerste, wie wir es alle aus unserer Grundschulzeit kennen, erklaere ich den Kindern, wie man richtig die Zaehne putzt, und man hoert mir gespannt zu. Ich spreche langsam und zeige das Modell herum, wiederhole alles, und der Schulleiter uebersetzt auch noch. Ich finde, ich stelle mich ganz gut an, und hoffe, die Kinder vergessen nicht so schnell, was gesagt wurde. Danach bauen wir eine kleine Zahnklinik in einem Klassenzimmer auf. Dazu werden die Schultische und -stuehle so gerueckt, dass eine Art Wartezimmer entsteht und vorne zwei Stuehle fuer den Arzt und den Patienten. Im Schnelldurchlauf wird im Laufe des Vormittags allen Anwesenden (und das sind ueber 500!) in den Mund geschaut, eine kurze Diagnose getroffen, Zahnbuersten geschenkt und in schlechteren Faellen auch Mundwasser, und viele, viele dazu aufgerufen, sie moegen doch eine Praxis aufsuchen um zu retten was zu retten ist - schliesslich sind Zaehne ein unverzichtbares Werkzeug, insb. hier, wo Zahnersatz ein Fremdwort ist.


Blutzucker messen
Inzwischen sind auch die Schwesternschuelerinnen eingetroffen und es wird an vielen Stationen gearbeitet. In einem Zimmer werden den Eltern und Grosseltern der Kinder Blutdruck und Blutzucker gemessen. Am Ende des Tages gibt es zehn Diabetes-Dagnosen zuvor voellig ahnungsloser Leute. Andernorts stehen Muetter mit kleinen Kindern in einer Schlange zur Entwurmung. Parasiten sind hier ein grosses Problem. Ich besuche die Station, an der Jiggers entfernt werden. Dabei handelt es sich um seltsame Insektenlarven, die die Zehen befallen und sich dort einnisten. Man faengt sie sich beim Barfusslaufen in unsauberen Gegenden, und leider ist es offenbar so, dass die Kinder der Sache kein grosses Interesse schenken. Viele der hier behandelten Fuesse erst achtjaehriger Kinder sind uebel zerfressen und verfault. Ich habe Hemmungen zu fotografieren, weil ich die KInder nicht blossstellen moechte, doch denen ist das voellig egal. Niemandem ist etwas peinlich. Auch der Oma beim Zahnarzt nicht, die drei zusammengewachsene Zaehne besitzt, die den Zahnarzt so umhauen, dass er sich meine Kamera fuer ein Foto borgt. Die Dame sperrt brav den Mund auf und laesst sich ablichten. Haette ich nicht gemacht. Aber ich verstehe, dass die Leute gern kommen, wenn sie diese Vorsorge umsonst bekommen koennen.


drei zusammengewachsene Zaehne

Fuss mit Jiggers


Wieder andere bekommen Aufklaerung zum Leben mit Tuberkulose. Es werden Flyer verteilt, auf denen vorne gross steht, TB sei heilbar. Darin findet sich eine Anleitung zum Umgang mit der Krankheit, einmal schriftlich, dann in Bildern, weil einige Leute nicht lesen koennen. Ich haette anhand der Bilder niemals erkannt, was ich haette tun muessen, und bin sehr froh, dass die meisten Kenianer inzwischen wohl erkannt haben, wie wichtig Schulbildung ist und ihre Kinder auch hinschicken.


meine Haare sind ja so spannend
Nach dem Rundgang mache ich eine kleine Pause im Schatten. Kinder, die gerade nicht behandelt werden, kommen und betrachten mich schuechtern und neugierig. Ein Lehrer kommt und hilft mit dem Uebersetzen, und ich lerne zwei neue Begriffe - unaitwa nani und unatoka wapi - wie heisst du und wo kommst du her. Nach einer Weile erst trauen sich vereinzelte Kinder zu antworten. Andere kauen schuechtern auf den Naegeln und wenden sich verlegend lachend ab, wenn ich sie anspreche. Doch sie ruecken langsam, langsam immer naeher und ich sehe ihren Konflikt zwischen Neugier und Schuechternheit und muss lachen. Ich sage meinem Uebersetzer, er solle den Kindern ausrichten, sie duerfen mich ruhig anfassen, wenn sie wollen, weil ich sehe, dass sie genau das wollen - und im selben Moment bin ich unter einem Stapel schmutziger Grundschueler verschwunden. Ohne Ruecksicht wird meine Kopfbedeckung heruntergerissen, die blonden Haare zerzaust, die Arme gestreichelt. Die Kinder johlen und lachen, und ich gehe ebenfalls lachend in Deckung, bis der Lehrer die Kids zurueckpfeifft und alle deutlich geloester sind als vorher.

Bis am spaeten Nachmittag dauert das Camp, bis wirklich alle versorgt und alle gespendeten Medikamente aufgebracht sind. Dies war nur ein kleines Camp, mit eingeschraenkten Behandlungsmoeglichkeiten, aber es war ein voller Erfolg. Alle hatten toll zusammengearbeitet, das Angebot war von einer breiten Masse angenommen worden, und diese Schule hatte es wirklich noetig gehabt. Die Helfer bekommen zum Dank am Ende noch eine Cola und ein paar Stuecke Ingwergebaeck, dann fahren alle nach Hause mit dem schoenen Gefuehl, heute etwas Sinnvolles getan zu haben. Ich haette noch laenger bleiben koennen, so gut hat es mir gefallen. Ich hoffe, dass ich die Moeglichkeit bekomme, noch an weiteren, aehnlichen Aktionen teilnehmen zu koennen.


das Team :)










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