Montag, 21. Mai 2012

Chitimba, Malawi

... denn am naechsten Tag klingelt der Wecker "erst" um sechs. Ich krieche aus dem Zelt und fluechte wieder zum heissen Kaffee. Nach dem Fruehstueck sehe ich, dass jemand in dem kleinen Ofen, der das Wasser fuer das Badehaus beheizt, tatsaechlich den riesigen Stamm angezuendet hat und geniesse eine tolle, warme Dusche dort, wo ich sie am wenigsten erwartet und am meisten gebraucht habe. Fruehstueck, Zusammenpacken, Losfahren - das wird jetzt wohl Routine. Eine weitere lange Fahrt liegt vor uns, raus aus Tansania und an die Ufer des Malawisees - ein Reiseabschnitt, auf den ich mich besonders freue. Malawi ist ein Land, das ich gern sehen wollte, aber in das man nicht einfach so fliegt, sondern es bestenfalls auf solchen Touren wie dieser durchquert, denke ich. Dahin werde ich wohl so schnell nicht mehr zurueckkommen, deshalb will ich es vom ersten bis zum letzten Moment geniessen und hoffe, dass es mir mehr Glueck bringt als Tansania.

Was zunaechst mal sehr positiv auffaellt ist der besonders einfache Grenzuebergang. Hier muss ich zur Abwechslung mal kein Visum kaufen, sondern nur einen kleinen Papierschnipsel ausfuellen. Im Gegenzug bekomme ich zwei kreisrunde Stempel in meinen Pass, schoen irgendwohin, wo schon viele Stempel sind und nicht mitten auf eine neue Seite. Die Grenze haben wir einigermassen spaet erreicht angesichts unseres fruehen Starts, doch gewinnen wir wegen Zeitzonenuebertritt eine Stunde zurueck und kommen deshalb schon gegen 16 Uhr in unserem neuen Camp Chitimba an.

Aber von Beginn an: Die Landschaft heute ist ein Highlight. Und Sam faehrt auch die ganze Zeit hinten im Truck mit, sodass es trotz Geruckel und Serpentinen eine angenehme Panoramatour wird und es Spass macht, einfach nur aus dem Fenster zu schauen. Wir halten eigentlich nur an der Grenze - zum Lunch haben wir heute morgen Sandwiches eingepackt und kaufen zwischen drin noch ein paar Snacks, die die fliegenden Haendler wie gewohnt an die Fenster des Trucks tragen. Tansania praesentiert sich huegelig bis bergig mit tollen Panoramen hinter jedem neuen Huegel. Die Gegend ist jetzt auch deutlich weniger besiedelt - das heisst nicht ausgestorben, aber deutlich weniger voll. Wir ueberfahren einen Fluss - dann heisst es Ende mit Tansania, neues Land, neues Glueck.
Im Gegensatz zum Grenzuebertritt Kenia - Tansania sieht Malawi nun tatsaechlich anders aus. Es beginnt damit, dass die bunten Werbetafeln fuer Cola, Telekommunikation und co aus den Doerfern verschwinden und ein grosser Teil des Wellblechs. Die Haeuser sind entweder aus Lehm oder aus lehmfarbenen Steinen gebaut und haben Strohdaecher, die weit ueberhaengen. Alles ist sehr sauber und ordentlich, manche Huetten haben sogar Sprossenfenster, gardinen und ein paar Pflanzen in einem geplget abgegrenzten Vorgarten. Die Szenerie erinnert mich sehr an Suedostasien. Wir sehen Reisfelder und gebueckt darin arbeitende Leute (sogar mit Spitzhut!), Bananenplantagen, magere Kuehe auf den Strassen, sanfte Huegel und Berge in der Ferne, Bambuspflanzen und Wasserlaeufe mit darin planschenden Kindern und waschenden Frauen. Und dann, nach einer Weile, den blau strahlenden See in der Ferne und flach dahin abfallendes, ueberflutetes und (dank Suesswasser) sehr fruchtbares Land (Reis!).
Malawi soll ja aermer sein als die Laender bisher und ist es wahrscheinlich auch. Gerade eben gab es einen Regierungswechsel und das Land ist nun das zweite in Afrika mit einer Frau an der Macht - die eine grosse Hoffnungstraegerin ist. Die Waehrung (namens Kwacha, sehr lustig) wurde auf etwa die Haelfte entwertet und die Leute haben es auch deshalb gerade nicht einfach - blicken aber, soweit ich das beurteilen kann, geduldig und positiv nach vorne und verstehen, dass sie erstmal durch ein Tal muessen bevor es bergauf geht.
Moeglicherweise ist es gemein zu sagen, dass es gerade der Vorsprung ist, den Kenia und Tansania gegenueber Malawi haben, der die beiden der Romantik beraubt, die Malawi noch total besitzt. Man kann sich nicht satt sehen an der wunderbaren Landschaft und es gibt nichts aber auch gar nichts, das darin stoert (Werbetafeln, Plastikmuell etc). Daher muss ich ehrlich sagen, dass es mir aus Touristensicht auf Anhieb besser gefaellt. Die Leute, als wir sie dann treffen, sind superfreundlich. Immer noch recht aufdringlich, wenn es um den Verkauf von Dingen geht und relativ ignorant gegenueber der Tatsache, dass man ihre Gesellschaft nicht unbedingt bei jedem Strandspaziergang wuenscht, aber generell sehr nett und offen. Und (das ist das grosse Plus) fotographieren lassen sie sich echt gern.
Frueher oder spaeter biegen wir von der Hauptstrasse (essentiell ein unmarkiertes Asphaltband von der Breite einer durchschnittlichen deutschen Parkhauseinfahrt) ab Richtung See, neben einer hohen, flachen Erhebung, und schaukeln uns froehlich zu unserer ersten Unterkunft in Chitimba. Dabei kommen wir durch ein kleines Dorf, dessen Bewohner uns froehlich zuwinken. Der Campingplatz besteht aus viel Freiflaeche zum Zeltaufbau, einem Haupthaus mit Bar, und einem breiten, wunderschoenen Strandabschnitt mit Lagerfeuerplatz.

Es gibt Vorteile, quasi die einzige Reisende auf einer Tour zu sein (dem Iren ist ja sowieso alles egal). Zum Beispiel kann ich mitbestimmen, wann wir morgens losfahren oder fruehstuecken, ich bestimme, was es zum Abendessen gibt, ich kann meine Klamotten quer ueber 12 Sitze verteilen (zur Zeit begnuege ich mich mit vieren), und ich muss mich an keine strenge Routine halten, die noetig waere, um groessere Gruppen zu organisieren. Deshalb muss ich unter anderem auch nicht gleich ein Zelt aufbauen, wenn wir aus dem Bus springen, bzw. auch gar kein Zelt aufbauen, wenn ich nicht moechte. So wie heute.
Vermutlich liegt es daran, dass die Hauptstrasse die einzige einigermassen gescheite Nord-Suedverbindung durch Malawi ist und damit eine wichtige Verkehrsader zwischen dem suedlichen und oestlichen Afrika. Jedenfalls fahren nicht nur haufenweise LKW hier entlang, sondern auch Vehikel wie unseres, die Reisende auf Campingsafaris in Nord-Sued- oder Sued-Nord-Richtung durch die Lande kutschieren. Hier in Malawi treffen wir einen Haufen davon. Mit uns in Chitimba sind einige andere Fahrzeuge, unter anderem auch meine Alternativreise. Einige Trucks haben, anders als unserer, kein festes Dach und Scheibenfenster, sondern stattdessen eine grosse Plastikplane, andere sehen ziemlich luxurioes aus, kosten aber wahrscheinlich auch mehr. Ich treffe eine Gruppe Maedchen aus dem Plastikplanenbus - insgesamt acht Stueck und aus England, Australien und Kanada, etwa in meinem Alter - mit der ich mich gut verstehe. Wir fahren ungefaehr die gleiche Strecke, sie immer einen Tag voraus, deshalb werden wir uns jetzt wohl des Oefteren treffen, das ist eine schoene Aussicht. Die Maedels erzaehlen mir, wie seltsam und langweilig es sei, keine Jungs dabei zu haben, und dass ein Truck derselben Gesellschaft mit exakt acht Jungs, aber keinen Maedchen in die andere Richtung fahre (man habe das fluchend herausgefunden, als man sich auf der Strasse traf). Ich persoenlich waere auch ohne Jungs ganz gern mit dieser Gruppe unterwegs.

So richtig im wahren Afrika ist man jedenfalls nicht mehr unterwegs, wenn man diese Zeltplaetze betritt, die nie von Schwarzafrikanern gefuehrt werden. Hier ist es ein Belgier. Seine Nichte aus den Niederlanden ist da, ein Maedchen, das bei meinen Eltern um die Ecke wohnt, abgesehen von der Tatsache, dass eine Staatsgrenze dazwischen verlaeuft. Wir verstehen uns prima, und spazieren gemeinsam durchs Dorf, um Fotos zu machen. Vor der Tuer befindet sich eine Schnitzereiwerkstatt, deren Besitzer uns unbedingt dazu ueberreden will, dass wir uns einen Schluesselanhaenger schnitzen. An sich eine sicher spannende Sache - aber was mach ich dann mit dem Ding? Auf der Hauptstrasse wird es inzwischen geschaeftig. Weniger mit motorrisiertem Transport, aber Fahrradfahren scheint die Fortbewegung der Wahl zu sein - so stell ich's mir in China vor. Leute radeln und laufen in beide Richtungen die Strasse entlang, wo es weit und breit nichts zu sehen gibt, was den Eindruck erweckt als sei es das wahrscheinliche Ziel. Ich wuerde mich gern anschliessen und die Gegend erkunden (man kann auf die Erhebung wandern, nach Livingstonia, wo es wegen der Hoehenlage kein Malaria und deshalb ein Krankenhaus sowie offenbar eine tolle Aussicht gibt), aber es daemmert schon und wir machen uns auf zurueck ins Camp. Sam brutzelt uns ein supertolles Steak, das wir im alten Farmhaus in Tansania, unserer letzten Unterkunft, gekauft haben, mit kleinen Grillkartoffeln mit Schale. Dann verbringe ich einen gemuetlichen Abend schwatzend mit anderen Campbewohnern am Lagerfeuer. Es ist kuehl nachts in Malawi, und ich muss mich richtig dick einpacken. Aber deshalb ist die Chance auf Malariamuecken gering und ich kann draussen unter freiem Himmel schlafen.

Der naechste Tag wird ein ruhiger Strandtag. Sam und ich spazieren im Sand herum und sie macht mit ihrer Spiegelreflex tolle Bilder von waschenden Frauen am See, darin planschenden Kindern, Fischern, und jungen Frauen mit Babys auf dem Arm. Da ich beim Knipsen daneben stand, denke ich, darf ich die auch als "meine" Fotos verwenden. Ich kuemmere ich endlich mal um meine Waesche und trample in selbiger eine Weile herum, waehrend eine lokale Frau recht ungluecklich fragt, ob sie das nicht fuer mich machen kann. Viele der Leute auf Durchreise lassen ihre Kleidung gern gegen ein geringes Entgelt von den Frauen hier im See waschen - schoen sieht das aus, wenn sie dann, die grossen Waeschebuendel auf dem Kopf balancierend, zurueck ins Camp kommen. Aber irgendwie will ich gern Leitungswasser zum Waschen verwenden. In den See gehe ich erstmal nicht. Es gibt darin einen komischen Parasiten, der auf Schnecken lebt und sich, wenn man Pech hat, im Koerper einnistet und die Organe befaellt. Dort wo Wellen sind, ist die Chance, sich das Ding zu fangen, angeblich gering. Unter den suedwaerts Reisenden bricht eine Diskussion aus, ob man nun denn dann ins Wasser gehen sollte oder nicht - diejenigen, die aus selbigem Sueden von unserer naechsten Destination Kande kommen, sagen, spaetestens da koenne man sich nicht mehr weigern, weil es so toll sei, und waren alle schon drin. Ich beschliesse fuer mich einen Kompromiss: Auf dem Weg nach Kande gibt es eine Apotheke, die guenstig das Gegenmittel verkauft, welches den Parasiten zu 100% ausrottet. Wenn ich das Zeug sicher in den Haenden halte, gehe ich rein und nehm die Pillen danach, nur um sicher zu gehen. Die meisten anderen machen es entweder genauso, oder nehmen einfach gar nichts. Heute in Chitimba ist's mir zum Baden eh zu kalt.

Die Zeit vergeht furchtbar schnell. Am zweiten Abend vermisse ich die Maedels aus dem Plastiktruck, die am Morgen aufgebrochen waren. Ich finde andere Gesellschaft, die nett, aber lange nicht so cool ist. Dafuer gibts fuer mich heute ein gutes Bett - in der Bar hat es hinten eine Sitzgruppe mit 2x1-Meter Matratzensofas und kuscheligen Kissen. Letzteres in mein Strandtuch eingeschlagen und ersteres mit zur Decke umfunktioniertem Schlafsack belegt, gibt das Ganze ein tolles Bett, das eher an ein Hotelzimmer erinnert und mal definitiv bequemer ist als ein Zelt. Ich schlafe entsprechend unendlich gut.

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