Dienstag, 15. Mai 2012

Sansibar

Heute morgen will mein Kreislauf irgendwie nicht so wie ich. Ich komme aus dem Bett - nur um mich 2 Minuten spaeter wieder hinsetzen zu muessen. Beim Umpacken (der grosse Koffer bleibt mit dem Tourbus und dessen Fahrer in Dar-es-Salaam, waehrend wir fuer drei Tage mit kleinem Gepaeck nach Sansibar reisen) geht es gerade so weiter. Was ist nur los? Ich erinnere mich dunkel an sowas wie Kreislauftropfen in meiner Reiseapotheke (haelt meine Mutter fuer essentiell) und pfeife mir ein paar davon rein. Hilft leider nicht wirklich. Ich torkle vor die Tuer - es ist immer noch dunkel - suche den Rest der Gruppe und finde ihn nicht. An der Rezeption nachfragend werde ich nicht verstanden - jaja, ich koenne gern ein Taxi haben. Ich komme mir vor wie diese Japaner in der Paulaner-Werbung ("Ich moechte diesen Teppich nicht kaufen... bitte"), und muss mich dann gleich schon wieder hinsetzen. Der Kaffeeduft lockt mich dann letztendlich auf die richtige Faehrte. Meine Gruppe hockt hinter dem riesigen Vehikel namens Tourbus und ist froehlich am fruehstuecken. Es gibt Toast und Kaffee, und das ist genau ds Richtige. Dem Kreislauf gehts etwas besser.
Ich raeume noch schnell meine Huette, dann quetschen wir uns in zwei Tuk-Tuks und rasen zurueck zur Faehre. Es ist gerade mal sechs Uhr und die Sonne geht gerade auf und enthuellt den wolkigen Himmel. Heute im Hellen erlaubt die Faehre es mir, Bilder zu machen (anders als die in Mombasa). Dar-es-alaam hat tatsaechlich so etwas wie eine Skyline. Ich glaube, die Stadt ist ganz cool - leider werde ich wenig von ihr zu sehen kriegen, fuercich. Derweil hatte Sam schon den ersten Stressmoment des Tages - die Polizei auf der Faehre will uns nicht mehr drauflassen, weil eins der Tuk-Tuks zu weit auf die Auffahrtrampe hinten rausragt. Da hilft nur eins: Schmiergeld. Wir kommen auf die Faehre, muessen aber aus dem Fahrzeug aussteigen. Der Ire war darin eingeschlafen und ist jetzt ungluecklich. Am anderen Ufer heizen wir weiter, zur anderen Faehre, die uns nach sansibar bringen soll. Die wartehalle ist klimatisiert und es riecht wieder nach Kaffee. Sam haendigt uns Tickets aus (ich heisse Ivy und komme aus Irland), dann geht auch schon los. Die meiste Zeit verbringe ich schlafend - offenbar hatte ich einiges Aufzuholen. Die Sessel sind bequem, der Innenraum klimatisiert, und das Ding setzt in nur zwei Stunden ueber, was ziemlich schnell ist.
Angekommen in Stone Town (und nach dem Abwimmeln der Gepaecktraeger) muessen wir eine separate Einreisekontrolle passieren. Zwar gehoert Sansibar zu Tansania, will aber doch irgendwie unabhaengig sein, und so checken sie nochmals Papiere und Gelbfieberzertifikat und packen einen Stempel in den Pass. Das wars dann - bis auf den Iren, der muss 50 Dollar fuer's Visum zahlen, warum auch immer, und ist gleich doppelt so ungluecklich. Wahrscheinlich sehen wir ihn deshalb den uebrigen Tag nicht wieder.
Vom Hafen kommen wir zu Fuss ins Hotel - es ist ein einfaches Hotel, aber nach der Campingtour, die meine Mitreisenden hinter sich haben, eine ziemlich schicke Sache. Ich bekomme ein Zimmer mit Kim aus Australien. Sachen abladen und nichts wie raus nach Stone Town! Vor allem, da es erst halb elf ist. Leider spielt das Wetter nicht mit. Stone Town sieht spannend aus, die Haeuser stehen eng beisammen, sind allesamt mehrstoeckig und haben Balkone aus kunstvoll geschwungenem Eisen und Tueren aus Holz voller Schnitzereien. Die durch die Strassen wuselnde Bevoelkerung ist auf den ersten Blick als zu 99% muslimisch erkennbar. Wir, das heisst, die weiblichen Tourmitglieder, beschliessen es nach dem fruehen Aufstehen ruhig angehen zu lassen und beginnen den Tag nochmal mit einem zweiten Fruehstueck (in Form von Obstshake bei mir). Dann zerstreuen wir uns. Die Kiwis nehmen an einer gefuehrten Spice Tour teil, der klassischen Art, Stone Town zu entdecken. Ich finde, ich kriege das auch ohne Fuehrung hin, und laufe gemuetlich los. Lange dauert es nicht, dass mich jemand anspricht, und auf meine Aussage hin, dass ich gerne die Stadt zu Fuss erkunden will, mir nicht mehr von der Seite weicht. Ich bin erst etwas genervt (sicher will er auch wieder Geld), aber der Typ ist echt nett. Er fuehrt mich durch alle Strassen, zu allen Moscheen, Kirchen und Tempeln, pikturesken Seitengassen und Plaetzen, ueber den Markt, und ueberall sorgt er dafuer, dass ich Fotos machen darf. Der Markt ist mein Highlight. Es beginnt mit dem Fischmarkt, wo sie wirklich alle moeglichen Sorten Meetrestiere verkaufen. Esist eng dort und laut und es stinkt, aber es ist definiv super zu sehen, wie die Menschen dort sitzen und feilschen und ersteigern und was man eben so macht auf einem MArkt. nebenan in der Fleischhalle fotographiere ich Rindskoepfe und kann meinen Guide gerade noch davon abhalten, einen fuer mich hochzuhalten. Echt eklig! Draussen schliessen sich ein Obstmarkt mit kunstvoll gestapelten Fruchtskulpturen, die obligatorischen Gewuerze und bunten Tuecher an, sowie etwas weiter hinten eine dunkle Baracke voller Weidenkoerbe mit Huehnern darin. Im Hinterhof hocken Frauen und kochen Suppe aus den Eingeweiden, und ich gehe lieber schnell wieder. Die Leute sprechen mich weitgehend auf Suaheli an, und ich grabe meine paar Brocken hervor. Der ein oder andere arabische Gruss kommt auch und meine Antwort wird mit grossem Wohlwollen entgegen genommen. Wir sehen tolle, teure Wellnessoasen mit Kraeuterbehandlungen, Strassen, die ganz sicher fuer Touristen gemacht sind, viele kleine Laeden mit Kunsthanderk, Textil und Gewuerzen ueber Gewuerzen. Mir entgegen laufen Schulmaedchen in Uniformen, die weitgehend aus einem langen Kopftuch bestehen und machen mir Komplimente fuer mein Outfit.
Mein ganz persoenlicher Rundgang durch Stone Town endet auf der Dachterrasse eines Hotels - mit schoenen Fotomoeglichkeiten - und einem Gewuerzte (Masala Chai) fuer mich und einer Cola fuer meinen Begleiter. Klar. Aber es mcht mir nichts, ihm die zu spendieren. Ein bisschen Trinkgeld lege ich noch drauf, dann hat mein anderthabstuendiger individueller Rundgang mich etwa ein Zehntel dessen gekostet, was die Kiwis bezahlt haben. Ich bin voll zufrieden. Nur das Wetter macht wieder nicht mit.
Wobei, eigentlich sorgt der Regen, der inzwischen die unteren 20 Zentimeter meines Kleides erfolgreich durchnaesst hat, fuer eine ganz besondere Stimmung und entsprechend interessante Fotos. Versteht mich nicht falsch, wenn es morgen an den Strand geht soll bitte wieder die Sonne scheinen. Aber hier in der Stadt ist das Getroepfel nicht allzu schlimm.
Sansibar klingt, fuer mich jedenfalls, ja total nach Flitterwochen und weissen Traumstraenden undsoweiter. Stone Town, schoen wie es ist, sieht insbesondere im Regen jedoch noch kein bisschen danach aus. Auch nicht so, wie andere Hafenstaedchen mit engen Strassen und historischen Altstaedten, wie etwa Dubrovnik. Es hat seinen ganz eigenen Stil und Charme.
Ich gebe offen zu, dass alle meine Freunde wissen, wenn wir zusammen Trivial Pursuit spielen und sie wollen, dass ich eine Frage vermutlich nicht beantworten kann, dann nehmen sie die Kategorie Geschichte. Ich war gut in Geschichte in der Schule, aber eine wandelnde Chronik bin ich nicht. Trotzdem weiss ich, dass die Story, man habe irgendwann mal Sansibar gegen Helgoland getauscht, nur eine Halbahrheit ist. Bei dem Wetter heute jedenfalls waere der Tausch, der keiner war, ein kleines bisschen weniger schmerzlich zu betrachten - Regen wie heute kann man auch auf Helgoland sicher auch schoen haben. Ich bin mal gespannt, ob ich morgen am Strand noch dasselbe denke - oder ob der hier besser ist (was ich vermute, nichts gegen Helgoland).
Heute Abend jedenfalls wollen wir gemeinsam ans Ufer und den Sonnenuntergang anschauen, und so, wie es sich gerade aufklaert, koennte ds sogar klappen. Also, drueckt mir die Daumen! Wir lesen uns vom Traumstrand - hoffentlich.

Gruesse aus Sansibar
eure Ivy

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