Dienstag, 1. Mai 2012

Lagerfeuer

Es kostet 90 Eurocent, mit dem Matatu nach Tsimba zu fahren. Ich bin der definitiven Auffassung, dass diese Matatufahrer entweder kein relationistisches Denken beherrschen, oder es nicht beherrschen wollen - Mombasa ist ein gutes Stueck weiter und kostet nur 50. Aber nach Tsimba muss man umsteigen, und zwar in Kombani, und allein dorthin zahlt man schon 40, obwohl es nur der halbe Weg bis Mombasa ist. Dann muss man sich ueber eine Kreuzung kaempfen, auf der circa fuenf bis acht Motorradfahrer dir erklaeren, dass sie dich fuer sieben Euro nach Kwale fahren wollen, obwohl du weder mit dem Motorrad fahren, noch dafuer 7 Euro zahlen, noch ueberhaupt nach Kwale willst. Wenn man das erfolgreich erklaert (oder ignoriert) hat, muss man Richtung Kwale ein Matatu besteigen, das in der Regel so voll ist, das ich bisher meistens auf dem Trittbrett mitgefahren bin, und dann gehts im Affenzahn ueber die huegeligen Pisten ins schoene gruene Hinterland, das einem in diesem Moment aber egal ist, weil man mal wieder einfach nur hofft, lebend aus dem Ding zu kommen.

Heute bekomme ich einen Sitzplatz, was auchein Glueck ist, denn ich habe 4 Kilo Mehl und einen zum Bertsen gefuellten Rucksack dabei. Im Matatu macht man mir deshalb gern Platz - soweit es geht, denn diesmal stehen andere unglueckliche Leute auf dem Trittbrett und lehnen sich ueber meinen Schoss. Ich biete mich an, dem Typ seinen Koffer abzunehmen und auf meinem Schoss zu platzieren, was er dankend annimmt. Die beiden Frauen neben mir schauen neugierig, der Fahrer weiss, dass ich nach Tsimba will und auch, dass ich den Preis kenne. Hinten auf der Rueckbank hat einer einen leeren Eimer dabei, mit dem er dem Geruch nach heute Angeln war. Aber solchen und aehnlichen, hauptsaechlich Koerpergeruechen kann man im Matatu eben nicht ausweichen, auch, wenn alle Fenster nach unten gekurbelt sind und die HAelfte der Insassen bestimmt morgen eine Bindehautentzuendung hat.

Direkt vor der Haustuer haelt das Matatu, das ist Premiere. Mein Gepaeck wird mir abgenommen, als ich aussteige, und diesmal lasse ich es zu, anstatt verkrampft meinen Rucksack festzuhalten wie sonst.

Im Kinderheim sieht es noch nicht so aus, als haette man schon lange auf mich gewartet. In der Kueche wird inaller Ruhe etwas gebrutzelt, waehrend die Kinder im Gemeinschaftsraum fernsehen. Ich hocke mich eine Weile dazu und versuche, mit dem PC des Heimleiters ins Internet zu kommen, doch die 7kb/s Up- und Download reichen nicht zum Aufruf einer bebilderten Seite wie meinem Mailprovider, sondern nur grosser Frustration.
Eine andere Maschine sorgt fuer deutlich groessere Freude meinerseits: Das Heim hat einen Waschautomaten, und ich hatte gebeten, diesen nutzen zu duerfen. Klar, kein Problem, alle ehemals weissen Sachen rein, warten, und hoffen, dass sie wieder weiss werden. Mann ist das toll! Dem Ding zuschauen, wie es die Waesche einweicht, herumwirbelt, durchspuelt, und dabei so viel effizienter ist als meine Haende und ich und diese Waschschuessel. Ich frage mich, wieso eigentlich? Immerhin rubble ich ganz schoen mit viel Seife Stoff and Stoff, um die Flecken rauszubekommen, waehrend so eine Maschine sich ja bloss drehen kann, oder? Warum ist das Ergebnis der Maschine dann so viel besser? Ich hoffe, es gab mal eine Sendung mit der Maus zu dem Thema und ich finde sie irgendwo...
Waschmaschine!
Jedenfalls ist so ein Teil eine geniale Erfindung und jeder, der eins hat, sollte sich darueber freuen.

Vorfreude
beim Ausrollen ist Teamwork angesagt
Als es dunkel wird, versammeln wir uns alle in der Kueche. Dort knistert im Kamin bereits ein grosses Feuer. Ich hatte vorgeschlagen, heute Stockbrot zu machen, und dabei an die Feuerstelle im Garten gedacht. Aber ganz offenbar ist es nicht das erste Mal, dass im Heim Brot gegrillt wird, und alles ist ohne mein Zutun schon abschliessend organisiert. Wegen des Windes wird das Brot drin gemacht. Ohne dass ich es gemerkt haette, hat Kuechenchefin Mariam schon einen tollen Teig zubereitet, der in einer Riesenschuessel gemuetlich vor sich hingeht, und die Kinder haben aus dem Werkraum eine Menge langer Stoecke zu Tage gefoerdert, die nach aehnlichen Aktivitaeten aufbewahrt worden waren. Jetzt spielen sie damit herum, und es sieht verdaechtig nach einem Star Wars Laserschwertkampf aus.
Wenn wir schon grillen, hat sich Charles offenbar gedacht, dann auch richtig, und hat Fleisch besorgt, das er nun einschneidet und in Zwiebelsud einlegt. Ueberhaupt sind erstaunlich viele junge und aeltere maennliche Wesen in der Kueche zugange, obwohl so etwas hier ja doch eher traditionelle Frauenarbeit ist. Vermutlich liegts am Grill - da sind ja auch deutsche Maenner immer mit viel mehr Begeisterung dabei als bei "normaler" Kuechenarbeit :) Aber im Ernst: Hier im Heim helfen alle mit, und das finde ich gut.

leckeres Ergebnis
Inzwischen ist der Teig zu langen Wuersten ausgerollt worden, und die Kinder schicken sich an, diese moeglichst formschoen um die Stockenden zu wickeln. Kelvin sieht aus wie ein Masaikrieger mit seinem Stock in der Hand und freut sich, als ich ihm dies sage.
gemuetliches Feuer
Waehrend das Fleisch auf dem Rost brutzelt, versuchen die ersten, das Brot knapp ueber den Flammen unter dem Rost zu garen. Bei manchen geht das schief und die Brote werden aussen leicht kohlenstofflastig, aber dennoch verspeist. Ich knie mit zwei Stoecken fuer die beiden Kleinsten vor dem Grill und schwitze ganz ordentlich, obwohl es heut abend in Tsimba tatsaechlich ziemlich kuehl ist. Das Grillen des Brotes ist in dieser Konfiguration fuer die ganz kleinen Kinder nicht geeignet. Macht ihnen aber nichts - keiner reisst sich drum, seinen Stock in die Flammen zu halten. Also machen die groesseren Kinder, Hausmuetter und ich das.
Kinder und Brot
Essen tun sie dann aber alle gern - insbesondere natuerlich das Fleisch, aber auch das Brot, und danach noch eine Portion Reis und Linsen, man kann ja nie genug haben.

Es dauert eine Weile, die Kueche wieder auf Vordermann zu bringen - dann gehen wir alle nach drinnen in den Gemeinschaftsraum. Heute morgen bei Fruehstueck hatte ich von einem der leicht nervigen Haendler, die dort immer herumlaufen und Dinge verkaufen wollen (von der CD bis zur Waescheleine) ein paar klassische Disneyfilme gekauft. Die Kids entscheiden sich, Dumbo zu schauen, und selbst die Grossen haben offenbar Spass daran. Die normale Schlafenszeit von neun Uhr wird kurzfristig ignoriert und auf elf ausgedehnt, dann gehen wir alle ins Bett.
Mir hatte man in einem Raum am Ende des Korridors ein Einzelzimmer eingerichtet, mit einem frisch bezogenen Bett inklusive Moskitonetz. Darunter verkruemle ich mich jetzt und bin froh, den langen Schlafanzug dabei zu haben. Draussen weht der Wind, aussen am Netz sirren frustrierte Moskitos, sonst ist es ruhig. Ich stelle den Wecker auf sieben, auch wenn ich weiss, dass ich da ganz bestimmt nicht aus dem Bett komme, und schicke meinen vollgefutterten Bauch in Verdauungsschlaf.

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