Freitag, 11. Mai 2012

Abschied

Natuerlich war klar, dass der Tag jetzt bald da sein wuerde, an dem ich mich verabschieden muss.
Richtig realisiere ich es deshalb noch lange nicht.
Sarina und ich trotten in die Schule, im Gepaeck ein Minigeschenk: Ein gerahmtes und signiertes Foto von uns beiden.
Es dauert lange, bis ich mich durch alle Klassen gewuehlt habe. Fast alle erinnern sich an den deutschen Abschiedsgruss "Auf Wiedersehen". In den Klassen, die ich kaum kenne, geht es recht schnell - die Kinder wuenschen mir eine gute Reise, die Lehrer bitten, ich solle meine Freunde und Familie daheim gruessen. Fast alle fragen, wann ich wiederkomme - doch das weiss ich nicht. Nicht in den naechsten zwei Jahren, sage ich, und dann sind einige tatsaechlich betroffen.
Abschied von der Vorschule
Im Kindergarten, wo ich den groessten Teil meiner Zeit verbracht habe, ist alles viel schlimmer. Natuerlich verstehen die Kleinen noch nicht, dass sie mich dann ab Montag nicht mehr wiedersehen - aber ich! Chris weicht nicht von meiner Seite und begleitet mich in alle Klassen, von denen ich mich verabschiede, ins Lehrerzimmer und sogar zum Direktor. Die Erzieherin Mgeni, meine Freundin vom Ostereierbemalen, weint sogar. Das tut mir richtig leid. Viele Kinder wollen heute kuscheln, auf meinem Schoss sitzen, mit mir spielen, und ich komme auch nach Stunden nicht wirklich los.
Der Schulleiter inzwischen ist vollkommen irritiert, als ich mich von ihm verabschieden komme. "Ich dachte, du faehrst am 14.?", fragt er. - Das stimmt, ist aber schon am Montag. Das sieht er ein. Er habe gedacht, heute sei erst Donnerstag, sonst haette er mir einen angemessenen Abschied organisiert. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Schulleiter tatsaechlich vergisst, welcher Tag gerade ist, bedanke mich aber trotzdem. Seine Kinder, unsere ehemaligen Gastgeschwister, sind heute beide in der Schule - nachdem sie die ersten Wochen absichtlich zu Hause behalten wurden. Sie dort zu sehen, ist der schoenste Erfolg des Tages.

unser Foto
Wir uebergeben das Geschenk, das wir mitgebracht haben, und es wird gleich neben der Tuer des Direktorbueros aufgehaengt. Sekretaerin Pauline fragt, ob ich ihr ein Geschenk dalasse. Am liebsten mein Handy, das ich mir fuer 150 Euro ja schnell neu kaufen koenne. Ich lehne bedauernd ab, und sie ist ehrlich enttaeuscht. Dafuer hinterlasse ich meine E-Mailadresse. Drei haben sich bis heute schon gemeldet.
Bis ich mich von der Kueche und dem Kollegium verabschiedet habe, sauert es gleich nochmal eine Stunde. Immer wieder kommen Kinder und machen sich einen Spass daraus, mir zu a\erklaeren, ich haette noch nicht tschuess gesagt, obwohl dieselben schon bestimmt dreimal da waren. Alle wollen, dass ich bilder von ihnen mache und am liebsten gleich ausdrucke. Viele fragen auch nach Bildern aus Deutschland - die schicke ich bestimmt.
Als der Schulbus abfaehrt, sitzt Chris ganz vorn und fordert mich draengend auf, doch bitte einzusteigen. Als ich es nicht tue, winkt er mir, bis er mich nicht mehr sehen kann. Ich faende es lustig, zu erfahren, wie er als Vierzehnjaehriger mal reagieren wuerde, wenn ihm einer erzaehlte, wie arg er auf diese eine Freiwillige abgefahren ist, als er zweieinhalb war. Das Kind ist der Wahnsinn. Die ganze letzte Woche hatte er jeden Tag einen unbeschreiblichen Heulkrampf bekommen, wenn ich nur aus seinem Sichtfeld gewandert bin. Heute zum Glueck nicht - das macht einiges leichter.
Chris, wenn er auf den Arm will
Ich selbst fahre eine Stunde spaeter mit dem Bus - mal wieder mit Mary und Olivia auf dem Schoss und einer Menge johlender Schueler hintendrin. Die beiden Maedels winken mir heute, als sie aussteigen, lang hinterher. Vielleicht haben sie doch verstanden, dass ich heim fliege?
Dem Anlass entsprechend ist das Wetter heute auch mal wieder nicht besonders schoen. So verbringe ich einen eher ruhigen Abend damit, ueber die vergangenen Wochen nachzudenken. Schoen wars, aber viel zu kurz, um richtig etwas auf die Beine zu stellen. Trotzdem, denke ich, wird sich das ein oder andere Kind doch hoffentlich an mich erinnern, zumindest noch ein paar Wochen, bis die naechsten Freiwilligen kommen und mich abloesen. So ist der Lauf der Dinge.
Sarina verabschiedet sich auch - von ihrer Arbeit an der Schule, aber nicht aus Ukunda, denn sie bleibt ja da. Den Abend verbringne wir zusammen und diskutieren ihre weiteren Plaene - was sie vorhat, wenn ich am Montag abfahren werde.

Kaffeetrinken in einer Regenpause mit Sarina
Das entsprechende Ticket kaufe ich mir in Ibiza, eine Busfahrkarte nach Dar-es-Salaam fuer 14 Euro, Abfahrt Montag um 6:30 vormittags. Auch das realisiere ich noch nicht  mein letztes Wochenende steht an! Ich will unbedingt nochmal all das machen, was meine Zeit hier hauptsaechlich bestimmt hat. Matatu fahren, Kaffee trinken im Rongai, Chapati essen an einem Stand an der Strasse, durch die Nebenstrassen bummeln, am Strand entlang, zum Internetcafe gehen und abens mit dem Motorrad nach Hause - oder so aehnlich.

leider verspricht die Wettervorhersage nichts Gutes. Weint Ukunda mir etwa nach?

1 Kommentar:

  1. Hallo Ivy, wir wünschen Dir noch mal eine gute Weiterreise und noch viele neue und spannende Eindrücke. Wir freuen uns wieder von Dir zu hören.
    Bitte passe gut auf Dich auf.
    Liebe Grüße Petra

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