Donnerstag, 12. April 2012

Abschied

Heute Nacht ist ausnahmsweise mal ruhig gewesen. Das Kleinkind hat wenig gebrüllt, die Gastmama nicht nachts um drei telefoniert. Das einzige, was stört, ist die Hitze. Durch das Kochen mit offenem Feuer sind in der Bude bestimmt an die 40 Grad. Ich schwitze so arg, dass ich mich zweimal umziehe diese Nacht. Als ich aufstehe, gibt's kein Frühstück - Geld für Brot, Butter und Milch war nicht da, und der Familienvater hatte versäumt, die Lebensmittel vorbei zu bringen. Auf der Suche nach einem Chapatistand auf dem Weg zur Schule verlaufe ich mich und komme erst nach einer Stunde Geirre durch den Busch erschöpft an.
Eigentlich habe ich einen verdammt guten Orientierungssinn - ich finde mich in jeder Stadt sofort zurecht, und diejenigen, die ich letzten Sommer durch Toronto und Montreal gelotst habe, werden das bestätigen. Aber hier rennt man andauernd in irgendwelche Sackgassen, und obwohl man die Richtung kennt, in die man will, kommt man durch das Hinterland einfach nicht durch, wie in einem Labyrinth.


der Brunnen mit fließendem Wasser!
In der Schule ist Birgit schon da und wir beschriften Schulbänke und Tische mit den Namen der Sponsoren. Die danach mit Lackstift bekleckerten Finger können erstmals unter fließend Wasser gewaschen werden, wofür die Rohre in den letzten Tagen endlich gelegt wurden. Viele Eltern sind heute in der Schule und holen die Zeugnisse ihrer Kinder ab. Ich treffe nochmal den Vater der 10 Kinder vom Hausbesuch, und er hat seine Tochter, meine Namensvetterin, dabei. Sie ist sehr schüchtern, die Haare sind kurz, weil das Geld für den Frisör fehlt, und sie sieht aus wie ein Junge, aber sie lacht sofort, als wir sie fotographieren. Ich frage sie nach ihrem Lieblingsfach. "Mathe", sagt sie. Sehr sympathisch. Ich hoffe sehr, dass sich bald ein netter Sponsor für sie finden lässt!

die kleine Yvonne (im Vordergrund, nicht ich) sucht einen Sponsor!




Ein anderer Namensvetter, der kleine Yasin, hat mehr Glück im Leben. Heute tippe ich ihm am PC auf offiziellem Schulpapier einen Brief ab, der bescheinigt, dass er den Mai über nicht zur Schule kommen muss, weil er nach Deutschland fliegen darf. Leider sieht der Brief nicht offiziell aus, da die schwarze Tinte aus ist und wir blaue nehmen müssen. Das sollte dem Kleinen aber egal sein.

Dann fahre ich zum letzten Mal mit Birgit und Familie in den Marula Park, denn die Familie reist heute Nacht noch ab, und nimmt mich zum Abschied nochmal mit. Mit den Nachbarn Tina und Jürgen fahre ich später noch eine Runde nach Ukunda, um einfach nur durch die Straßen zu spazieren. Wir wählen die Gegend, in der ich bis zu meinem Umzug gewohnt hatte, und obwohl der Ausflug kurz ist, freue ich mich, durch die gewohnte Umgebung zu schlendern. Im Gegenzug für die "Stadtführung" benutze ich nun gerade den Laptop der beiden - und Abendessen gabs auch. Ich finde, das ist ein Superdeal - danke an die zwei!

Apropos Abendessen - gestern gabs doch kein Pilau mehr, denn die beiden Mädels, die abgereist sind, waren am Strand zum Fisch essen. Es war noch früh und ich hatte auf einmal auch wahnsinnige Lust, an den Strand zu fahren, ins Kühle, und dort etwas Gescheites zu essen, also fuhr ich kurzerhand in die Strandbar und bestellte mir verschämt ein Stückchen Rinderfilet mit Kartoffelbrei für acht Euro. Die folgende Geschmacksexplosion nach Wochen Ugali un Bohnen katapultierte meine Geschmacksnerven in den siebten Himmel, und ich guckte sehnsüchtig über das Wasser und wünschte mir Gesellschaft, um diesen Abend zu teilen. Zum ersten mal seit langem, und ganz bestimmt zum ersten mal nach nur drei Wochen Abwesenheit, verspürte ich ein ganz kleines bisschen Heimweh. Ich spazierte den Strand hinunter unter dem tollen Sternenhimmel und dachte an das, worauf ich mich freuen werde, wenn ich im Juni wieder nach Hause komme. Und dann dachte ich an das, worauf ich mich hier noch freue in den kommenden acht Wochen. Das ist schließlich auch schön!
Um acht kamen die Mädels von Fischrestaurant zurück und sammelten mich mit dem Motorrad ein, um den Rückweg anzutreten. Wenig später war dann gepackt und die zwei fuhren zum Flughafen, so wie heute nacht Birgit, und die ganzen anderen Leute, die ich hier kennen gelernt habe, in den nächsten Tagen. Ich befürchte, dass ich mich danach vielleicht ein bisschen allein fühlen werde. Aber wer weiß, welche Bekanntschaften sich dann ergeben?

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