Samstag, 7. April 2012

Ostern

Vollmond ist heute, als ich von einem langen Tag nach Hause stolpere, und der Weg dementsprechend gut beleuchtet.Als wir ihn heute Morgen zu siebt in unseren besten Klamotten denselben Weg in Richtung Schule gesprintet sind, waren wir – mal wieder – zu spät. Diesmal lag‘s aber ganz eindeutig an der Gastmama, die unglaublich lange gebraucht hat, um sich fertig zu machen. Glücklicherweise beginnt in Kenia nichts, wirklich gar nichts, pünktlich, außer vielleicht der Schulunterricht. Die Feier jedenfalls tat es nicht. Kurz vor elf ging los, was für neun Uhr angesagt war: Die große, offizielle Schuleröffnung. Fleißige Hände waren offenbar schon ein paar Stunden vorher damit beschäftigt gewesen, ein Schatten spendendes Zelt für die „Ehrengäste“ sowie Bänke für die Eltern und Schüler aufzustellen, eine Tonanlage zu besorgen und alles mit gelben Luftballons zu dekorieren. Viele waren gekommen, und viele trugen auch das gelbe Merchandise-Shirt, was in der vergangenen Woche an Lehrer und Schülereltern verkauft worden war. Meine süße kleine Mary aus der Baby Class war herausgeputzt worden und hatte in ihre eigentlich sehr kurzen Haare lange schwarze Rasterzöpfe und schulfarbene Perlen und Schleifen geflochten bekommen und sah allerliebst aus. Auch die meisten Eltern hatten sich für den großen Tag schick gemacht.Ich durfte auf der Ehrentribüne Platz nehmen, was mir am Anfang etwas unangenehm war – ich hätte mich gern unters normale Volk gemischt. So saßen wir nun allerdings mit einer großen Gruppe Mzungus (hauptsächlich Sponsoren aus Deutschland und deren Freunden und Gästen) in bequemen Plastikstühlen im Schatten des Zeltes und wurden sogar mit kühler Limonade bewirtet. Schnell entwickelten sich angenehme Gespräche mit den Sitznachbarn, und die Atmosphäre löste sich.Offizielle Feiern in Kenia haben gewisse formale Kriterien zu erfüllen – dazu gehört das Hissen der Flagge (dazu wurde extra noch der Flaggenmast über Nacht gebaut) und das Singen der Nationalhymne. Für dieses formelle Programm ist die schuleigene Pfadfinderorganisation zuständig. Mit für uns Deutsche befremdlichem, stark militärisch geprägtem Zeremoniell wird die Flagge gehisst, die Hymne gesungen, und schließlich noch eine Art Treueschwur an die Nation geleistet. Birgit, ihreszeichens Vorsitzende des Vereins Future for Kids e.V., darf dann die Reihen der strammstehenden Schüler inspizieren, und weiß erst gar nicht was sie machen soll. Hätte sie genauer hingeschaut, wäre ihr sicher der ein oder andere offene Hosenstall aufgefallen  Weiter geht es mit einem Eröffnungsgebet. Dazu wurde offenbar der gleiche Prediger angeschleppt, den ich vom letzten Sonntag aus der Kirche kenne, für die er auch kräftig die Werbetrommel rührt. Ich denke mir, dass der muslimische Teil der Anwesenden, mindestens also etwa knapp die Hälfte, mit den euphorischen Reden wohl eher wenig anfangen kann und vermisse einen toleranten Gruß in ihre Richtung, der aber nicht erfolgt. Danach wird die Schule ganz offiziell eröffnet, ein blaues Band durchtrennt und ein entsprechendes Schild, das neben dem Hauptbüro angebracht wurde, feierlich enthüllt.

Vorführung der Zweitklässlerinnen

Massai-Tanz

Im Anschluss ist Zeit für das Programm, welches die Schüler in den letzten Tagen und Wochen so fleißig einstudiert haben. Den Anfang macht der Kindergarten, und piepsige Stimmen verkünden irgendetwas auf Kisuaheli, was ich nicht verstehe, aber sicher ganz niedlich war. Stolze Mütter laufen auf die Bühne und umarmen glücklich ihren Nachwuchs – Väter sieht man aber keine, wie vom Moderator das ein oder andere Mal bemerkt wird. Von jeder Klassenstufe wird ein Programmpunkt vorgetragen, schön in aufsteigender Reihenfolge. Die Kinder stellen sich alle brav vor, ihre Klasse, und das zu präsentierende Werk. Am Ende wird sich immer bedankt und eine Art Knicks vollführt. Leider sitzen Ehrengäste und Publikum sich so gegenüber, dass mindestens eine Seite die vorführende n Kinder von hinten betrachten muss. Die meisten Programmpunkte sind ernsthafter Natur und behandeln Themen wie die Wichtigkeit einer Ausbildung in Kenia, Aids, und Alkohol. Die Schule wird viel gelobt, als Hoffnung für die Kinder bezeichnet und ein ganz kleines Bisschen Propaganda gemacht – aber das ist ja völlig in Ordnung so. Eine Ausnahme macht die siebte Klassenstufe, die mit Abstand die meisten Teilnehmer auf die Bühne bringt und ein paar schöne Lieder präsentiert, die sofort ins Ohr gehen und das Publikum zum Tanzen animieren. Sehr zum Vergnügen der Kinder werden einige der Ehrengäste explizit zum Tanzen nach vorn geholt und stellen sich dort mehr oder minder gut an. Der Kenianer als solcher hat doch schon irgendwie mehr Rhythmus im Blut, oder zumindest weniger Hemmungen, sich gehen zu lassen. Die Kinder beeindrucken mich – ich hätte mich mit 12 Jahren noch nicht vor ein Publikum gestellt, um dort auch noch mit dem Mikrofon etwas vorzusingen, und hier machen das schon die Sechsjährigen ohne große Probleme. Den Abschluss bildet eine kulturelle Tanzgruppe der Massai, die offenbar ein paar traditionelle Gesänge und Tänze präsentieren. Spannend ist es, doch seltsam für die Ohren der Einwohner eines Kontinentes, der solch ein großes und anspruchsvolles musikalisches Erbe hervorgebracht hat wie Europa. Schulleiter und Vereinsvorsitzende richten noch die obligatorischen Worte an das Publikum, dann gibt es ein Abschlussgebet. Dies nimmt dann doch ein Imam vor, sodass dem gesamten Publikum in religiöser Hinsicht Rechnung getragen werden kann, und ich bin zufrieden, auch wenn jeder Vers des arabischsprachigen Bittgebets dreimal wiederholt wird und die ganze Sache sich ziemlich zieht. Im Anschluss gibt es dann auch endlich Getränke für Kinder und Eltern, und der Tag klingt mit Tanz und Gespräch aus – die angereisten Sponsoren bekommen die Chance, ihre Patenkinder kennen zu lernen,  und Klassenräume zu besuchen, in denen Fotos aushängen. Ich derweil werde von diversen Kindern nicht mehr von der Tanzfläche gelassen – erst, als ich völlig verschwitzt wirklich nicht mehr kann.Später gab es viele Rückmeldungen, dass die Eltern das Event sehr genossen und sich sogar länger gewünscht hätten – insgesamt also ein voller Erfolg für alle Beteiligten. 


mit gemischten Gefühlen in die Ferien verabschieden sich Mwanaisha,
rechts, und meine Brillenträgerin Rachel, die immer so kluge Fragen stellt

Inzwischen ist es früher Nachmittag. Eines der Kinder, die mich so lange beim Tanzen hielten, ist Mariam, die Tochter einer Erzieherin des Kindergartens. Und letztere bat mich, mich doch vielleicht um ihre Tochter zu kümmern, da sie selbst noch bis vier an der Schule bleiben müsse zum Aufräumen. Also nehme ich die Sechstklässlerin mit – wir fahren im Matatu zu meiner alten Wohnung, waschen die Bettwäsche, säubern die Küche und geben den Schlüssel ab. Dann lade ich Mariam auf eine Portion Pommes ein, und im Gegenzug hält sie mir effektiv die ewig nervenden lokalen Verehrer vom Hals. Ich erzähle ihr von Osterbräuchen in Deutschland und wir beschließen, zu ihr zu gehen und Eier zu bemalen.Ich lerne die ganze Familie kennen – Oma, Tanten, Kinder, allesamt weiblich, und gemeinsam wohnend in zwei Zimmern mit Küche. Ich spendiere 18 Eier, und plötzlich will die ganze Familie mitmachen. Im Metalltopf auf offenem Feuer werden die Eier gekocht und eine Färbelösung aus Wasser, Lebensmittelfarbe und Zitronensaft (zum Anätzen der Schale) improvisiert. Die Eier färben sich erstaunlich schön orange und rosa. Inzwischen ist auch die Erzieherin aus der Schule zurück und hat sogar einen Farbkasten im Gepäck. Es bildet sich eine Fließbandarbeit zwecks Ostereierproduktion – in einem muslimischen Haushalt, mitten in Afrika. Herrlich.Zwölf der Eier werden an Ort und Stelle für die Kinder versteckt, die begeistert suchen und sich dann auf den leckeren Inhalt der kurzlebigen, bunten Schalen stürzen. Katzenbabys vom Hof lecken die letzten Krümel aus der Schale. Die letzten sechs Eier nehme ich meiner Gastschwester mit, der ich Ostereier versprochen hatte, und ich habe den Eindruck, alle seien zufrieden, und das freut mich. Mit einfachen Mitteln Spaß bringen, das finde ich gut. Und so habe ich heute eben ein kleines bisschen Ostern nach Kenia gebracht. Mit Bildern von dieser Aktion verabschiede ich mich und wünsche meinerseits allen Lesern ein frohes Osterfest!

fröhliches Ostreiermalen


Massenproduktion


das schöne Endprodukt


schläfrige Kätzchen nach dem Verspeisen der Eierschalen

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