Mittwoch, 11. April 2012

Ugali


Vorneweg: Es ist nicht so, dass hier das Essen das einzige Highlight des Tages ist (eher im Gegenteil), nur weil ich so viel davon schreibe. Aber zum einen ist Kochen (und Essen) ja mein Hobby, und zum anderen finde ich, dass die Küche eines Landes ein integraler Bestandteil ist, über den man sich der Kultur nähern kann, neben zum Beispiel auch Sprache, Religion und Musik.
Nun ist es so, dass die kenianische Speisekarte in etwa auf einen Bierdeckel passt (also ungefähr so, wie sich das der Herr Professor Kirchhoff für die deutsche Steuererklärung vorgestellt hat). Vermutlich bin ich nicht die einzige, die sich wünschen würde, dass es umgekehrt wäre, und das kulinarische Spektrum Kenias den Umfang der deutschen Steuererklärung hätte (und andersrum). Aber das Leben ist kein Wunschkonzert – und die Schulküche auch nicht. Nachdem ich gestern meine deutschen Mitbewohnerinnen vor Ugali und Grünkohlsubstitut retten konnte, landet genau das heute auf meinem Teller. Und ich hatte so auf Chapatis gehofft, die es mittwochs hier sonst immer gibt…

Chapatis bestehen aus einem Teig aus Weißmehl und Wasser mit Salz, und dieser wird dann ausgerollt und unter Verwendung von Unmengen von Fett über dem offenen Feuer ausgebacken. Übersetzt wird das Ganze mit Fladenbrot, aber das wird der Sache nicht gerecht. Eher schmeckt es wie in flüssiger Butter frittierte Gyros-Pita-Taschen, oder zumindest stelle ich mir es so vor, denn ich frittiere in der Regel keine Pitataschen. Man überlege sich, dass eine arme Person das jeden Mittwoch für über 400 Kinder und ein Kollegium zubereitet, dessen Mitglieder mehr als einen derartigen Fladen zum Mittag verspeisen. Ich wollte nicht tauschen…

das Corpus Delicti in Nahaufnahme
Vermutlich ist es auch deshalb einfacher, Ugali zu machen. Man muss einfach nur sandiges Wasser erhitzen und Maismehl darin stocken lassen – nicht mal Salz wird benötigt.
So wenig, wie die Leute hier verstehen, dass ich Kartoffelpüree vermisse, kann ich mir vorstellen, dass irgendjemand Ugali vermissen würde, wenn dieser jemand in ein anderes Land führe. Aber die essen das Zeug wirklich gerne! Ich nehme an, dass dieses Phänomen auf frühkindliche Erfahrungen im Sandkuchenbacken und – essen zurückzuführen ist (ich sehe hier des Öfteren einige Kinder, die unseren Schulhofbelag verspeisen), und wir Deutschen das nicht haben, da unsere Mütter uns immer davon abgehalten haben, den Sand damals wirklich runterzuschlucken, und wir damit nun “pfui” assoziieren.
Aber ganz im Ernst: Ich hätte nicht gedacht, dass man sich eine Abneigung gegen etwas aneignen kann, das schlicht und ergreifend nach gar nichts schmeckt. Damals in Australien hatte ich das mit gekochtem Kürbis – und ich erinnere mich, dass ich den Geschmack als “wie nasses Mehl” bezeichnet habe. Jetzt wäre ich froh, wenn Ugali wenigstens nass wäre. Ist es aber nicht. Es ist eine Masse, aus der man sicher Häuser bauen könnte, die stabiler wären als die, die hier stehen, aus welchem Material die auch immer sind – jedenfalls halten sie nicht länger als ein Jahrzehnt, und überall am Strand stehen Hotelruinen als Zeugen.

"begeisterte" Esser
Ich bin ein großer Gegner der Verschwendung von Essen. Wenn ich darüber nachdenke, dass in unserer westlichen Welt 50% der erzeugten Lebensmittel weggeworfen werden, obwohl nur ein Bruchteil davon tatsächlich ungenießbar ist, werde ich krank, und das ist auch der Grund, warum ich niemals in einem Restaurant arbeiten will. Aber heute lasse ich mein halbes Ugali stehen (das schlechte Gewissen hält sich in Grenzen, weil der Müll hier die ganzen Tiere ernährt, also wird es irgendwem vielleicht besser schmecken als mir). Heute Abend soll es zur Verabschiedung der deutschen Mädels Pilau geben, dafür kann man sich dann schon mal etwas Platz freihalten. Gestern hatte ich gekocht, wie gesagt, und zwar Spaghetti mit Tomaten-Paprika-Thunfischsauce. Nachdem die Gastmama schon drohend die Packung Maismehl bereitgestellt und dieses seltsame, grüne Grünkohlgemüse (dessen Namen ich immer noch nicht kenne) in unserer Kleidungs-Waschschüssel eingeweicht hatte, schlugen die beiden deutschen Mädels Alarm, die nicht wie ich das Glück hatten, das Wochenende in einer Ferienanlage mit Köchin (und ohne Ugali) zu verbringen. Dementsprechend sind die Spaghetti für jeden Beteiligten das reinste Weihnachtsessen, und das ohne Fleisch. Der zweijährige Gift patscht mit der offenen Hand genüsslich in der Tomatensauce und trägt weiter dazu bei, dass man, würde man den Wohnzimmerteppich auskochen, eine ganze Legion mit einer sicherlich geschmackvollen und reichhaltigen Suppe würde ernähren können.
Mit Ugali wäre das nicht passiert.



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