Montag, 30. April 2012

Regenzeit

Ungefaehr zwanzig mal rutsche ich beinahe (aber zum Glueck nur beinahe!) aus auf dem matschigen Boden, als ich mich endlich dazu durchringe, das Haus zu verlassen. Der Regen flatscht seit gestern periodisch in Stroemen vom Himmel, und weil hier sehr wenig asphaltiert ist, gleicht der Boden inzwischen dem Inhalt eines gigantischen Nutellaglases. Einzig der Geruch ist nicht schokoladig-nussig, sondern noch feucht-stickig, wie in eiem Gewaechshaus. Ich fuerchte, dass sich das bald aendert, wenn die Muellkippen entlang der Strasse ausgeschwemmt werden, aber noch ist es nicht so weit.
Erst gestern Mittag hatte uns wieder einmal jemand gesagt, wie wenig es doch regne fuer die Regenzeit. Die hat schliesslich schon vor einer Weile begonnen, doch bis auf den ein oder anderen sporadischen Schauer war es weitgehend trocken geblieben, wenn auch windig, und der Wind hatte die dunklen Wolken schnell weg von der Kueste und ins Landesinnere geblasen.
Also hat der Klimawandel auch Afrika erreicht - oder, wenn es nicht der Klimawandel ist, dann zumindest dasselbe Phaenomen, was wir bei uns in Koeln (und vermutlich auch im Rest Deutschlands) auch seit ein paar Jahren beobachten: Hochsommer im Mai, dann im August Temperaturen, die unter denen vom letzten November liegen, der Schnee kommt Ostern, waehrend Weihnachten ins Wasser faellt etc. - kurzum, die Jahreszeiten stimmen nicht mehr so richtig. Und hier, wo seit Jahr und Tag im April die Regenzeit losgeht, braucht es diesmal bis zum letzten Wochenende des Monats, bis die ersten, groesseren Schauer und Gewitter kommen.
Was unangenehm ist fuer uns (wir konnten das Wochenende weitgehend nur drinnen verbringen, haben aber jetzt immerhin eine Kochplatte und koennen uns versorgen), ist ein lang erwarteter Segen fuer die lokale Landwirtschaft. Dennoch - die Preise fuer das zur Zeit ohnehin teure Obst und Gemuese werden weiter steigen, denn der wenige Regen hat Auswirkungen auf die Ernte und auf die Laune der Leute.
Draussen am Strand, in der Disko, die Sarina gern besucht, verdient ein Kellner pro Nacht zwei Euro - so viel kostet dort ein Bier. Und wenn der Kellner ein solches mal faelschlicherweise oeffnet, hat er die Nacht eben umsonst gearbeitet. Wenig Trinkgeld gibt es zudem, dafuer sind die Getraenkepreise zu hoch, insbesondere fuer die Einheimischen, die jetzt anstelle der Touristen die Disko besuchen. Fuer zwei Euro konnte man mal 40 Bananen kaufen, jetzt ist es die Haelfte und wird wahrscheinlich noch weniger.

Unerschuetterlich aber sitzen die Marktleute weiter auf dem jetzt matschigen Marktplatz von Ibiza im Regen und verkaufen wie jeden Tag ihre Waren. Das Resultat - schimmlige Tomaten, wie die, die wir heute in unseren selbstgemachten Nudelsalat schnippeln (erste Amtshandlung angesichts neuer Kochplatte), und viel Abwaschbedarf.
Die Moskitopopulation ist offenbar auch rasant angestiegen, jetzt, wo es wieder vermehrt Brutplaetze gibt, und es draengt sich die Notwendigkeit auf, auch fuer die nur noch verbleibenden zwei Wochen Aufenthalt ein Netz zu kaufen. 
Wir werden jetzt mehr denn je angesprochen auf der Strasse in der Hoffnung, wir moegen doch einen Laden besuchen oder auf einem Motorrad mitfahren (Letzteres ist bei Regen natuerlich ausgesprochen unattraktiv). Die Anzahl der Touristen und die Menge an Leuten auf der Strasse hat spuerbar abgenommen, und die konstante Menge an Verkaeufern und Taxifahrern buhlt verzweifelt um die knappe Kundschaft. Vermutlich ist es gerade gar keine schlechte Form von "Hilfe", einfach nur in der Stadt herumzufahren und Essen zu gehen und Dinge einzukaufen.
Gut ist, dass man darauf verzichten kann, sich mit Sonnenmilch einzureiben und langaermelige Klamotten zu tragen. Die Freude ueber das Nichtschwitzen wird allerdings dadurch neutralisiert, dass man durch den Regen am Ende des Tages trotzdem so nass ist wie eh und je. Aber wir wollen uns nicht zu arg beschweren und hoffen fuer die Bevoelkerung auf eine jetzt gute Ernte und stabilie Lebensmittelpreise.
Und wenn wir einen Wunsch frei haben, dann einen Tag mit viel Sonne fuer das naechste Wochenende. In der Nacht darf es dann gerne wieder sintflutartig regnen!

PS: Wir werden heute, ebenfalls auf Grund des Wetters, nicht in den Mai tanzen, sondern eher in den Mai schlafen. Denjenigen unter euch aber, die heute Nacht tanzen, Maibaeumchen aufstellen, oder (weniger traditionsreich) grillen oder aehnliches moechten, wuensche ich selbstverstaendlich nur gutes Wetter und einen tollen Start in den neuen Monat!

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