Freitag, 13. April 2012

Projekte

Als ich mich bei future for kids beworben hatte, das Projekt zu wechseln, hatte ich einen Link zu meiner Bewerbungswebseite geschickt. Das hatte zwei Dinge zur Folge: Zum einen wurde ich quasi über Nacht problemlos als neue Freiwillige angenommen, zum anderen hatte Philip, der Leiter der Diani Busara Junior School, angesichts dieser Seite wohl Folgendes geschlossen:

a) ich könne offenbar Webseiten zusammenbauen (was nur sehr eingeschränkt stimmt) und 
b) ich habe Erfahrung im Organisieren von Schüleraustauschprogrammen (so steht es auf dieser Webseite und das stimmt sogar).

Philip, derweil, ist auf dem besten Weg der neue Martin Luther King zu werden, so oft zitiert er mit verklärtem Blick dessen berühmte Zeilen "I have a dream". Er träumt wirklich von einer ganzen Menge, angefangen von einer Secondary School bis hin zur Uni, von Ruhm und Reisen, und es braucht eine Menge Leute, um ihn auf dem Teppich zu halten. Nun habe ich nichts gegen Erfindergeist und gute Ideen, aber ich kannte ihn kaum, am ersten Tag, als wir uns trafen, und schon wurde ich voll eingespannt in seine neueste Idee:
Er möchte eine zentrale Organisation gründen, um Freiwillige nach Kenia zu holen und dann hier auf verschiedenartige Projekte aufzuteilen. Und er sei überzeugt, dass ich die Richtige sei, ihm dabei zu helfen. Eigentlich möchte ich seine Euphorie ein wenig bremsen, als ich ihm erkläre, in welchen Grenzen ich so etwas nur für möglich halte, solange es eine Non-Profit-Sache bleibt, doch von Bremsen kann keine Rede sein. Ich kann Philip nicht mehr von dem Gedanken abbringen, dass ich genau der "Experte" bin, nachdem er gesucht hat. Wenige Tage später setzt er mich mit zwei Webdesignern zusammen, die eine entsprechende Internetpräsenz erstellen sollen, und ich habe meine liebe Mühe, zu erklären, dass eine Webseite nun wirklich der allerletzte Schritt ist, nachdem erst alle Informationen gesammelt wurden. Überdies verlangen die beiden einfach viel zu viel Geld. 
Ich lasse mich breitschlagen, die Webseite selber zu erstellen, unter der Bedingung, dass ich alle Projekte, die ich darauf verlinken soll, selbst besuchen und zur Not ablehnen kann. Und ich für das Projekt nachher keine Verantwortung tragen muss, kein Geld hineininvestiere und Philip sich zuallererst um seine Schule kümmert. Er schlägt ein.

Heute, Freitag, sind wir also verabredet, um so viele seiner ins Auge gefassten Projekte wie möglich zu besuchen. Ich trinke einen netten Kaffee (instant, aber besser als nichts) im Schatten des Rongai-Restaurants an der Hauptkreuzung Ukundas, während ich morgens um acht auf Philip warte. Er kommt in Begleitung einer Schulmitarbeiterin und zwei Motorradfahrern sowie eines Lehrers derjenigen Schule, an der wir das Medical Camp abgehalten hatten und welches auf meinen Wunsch hin in die Projektliste aufgenommen wurde. Diese Schule besuchen wir zuerst. 
Danach geht es weiter in ein Kinderheim, ein Zentrum für Drogenaufklärung und Rehabilitation, Mittagessen, dann in eine kostenlose Geburtsklinik und ein Zentrum für Gesundheitsvorsorge und Aids-Aufklärung. Es ist ein langer Tag, und ein richtig interessanter noch dazu. Mein Notizbuch wird immer voller, und auf meinem Fotoapparat türmen sich Bilder der Projekte neben Schnappschüssen der dazwischenliegenden Motorradfahrten durch das hübsche Hinterland und über Straßen, die ich sonst sicher nie gesehen hätte.
Mich beeindruckt die Leiterin des Kinderheims, die sehr spezifische Vorstellungen darüber hat, was in ihrem Heim so vor sich gehen sollte und welche Qualitäten ein Voluntär mitbringen muss. Sie weiß bescheid über ihre Schützlinge, sie stellt denen Wohl an allererste Stelle mit so vielen Beispielen und Zuneigung in der Stimme, dass man ihr einfach glauben muss. Und sie ist die erste hier, die ich treffe, die so klare Ansagen macht wie man sie aus Deutschland gewohnt ist, und während sich meine kenianische Begleitung offenbar Sorgen macht, wie ich damit zurecht komme, bin ich sehr zufrieden und habe den positiven Eindruck, mit der Frau könne man arbeiten.   
Auch das Zentrum für Drogenberatung ist sehr spannend. Ich erkundige mich nach allem Möglichen, doch leider ist die Zeit knapp bemessen. Deshalb möchte ich mir wirklich mal gern einen Tag Zeit nehmen, um mit den Leuten raus in die Schulen und in die Slums zu fahren, um dort Präventionsmaßnahmen gegen Drogenmissbrauch, Prostitution und HIV zu betreiben, weil ich das für so wahnsinnig wichtig halte. 
Letztlich die Geburtsklinik - Wahnsinn, mit welch geringen Standards hier gearbeitet wird und wie es trotzdem so viel besser ist als ein Baby einfach so auf dem Feld zu bekommen. Das ganze Besteck, was herum liegt, sieht unhygienisch braun aus, doch mir wird versichert, dies käme alles vom Chlor, mit dem hier desinfiziert werde. 94 Kinder seien diesen Monat schon zur Welt gekommen, erklärt die Oberschwester glücklich, das letzte vor vier Stunden, und die Mutter sei schon gegangen. Ich glaube ja, dass die Leute in Afrika ihre Kinder noch viel einfacher bekommen können als wir in Europa, wo es ständig Komplikationen gibt, oder in Asien, wo de facto jede Geburt ein Kaiserschnitt ist. Aber wenn es anders wäre, hätten sie hier auch ein Problem. Kaiserschnitt ist nicht drin, denn einen OP gibt es nicht. Es gibt überhaupt nicht viel; die Dame erklärt mir, wie sehr sie sich über eine Spende einer Kiste Gummihandschuhe freuen würde, oder dieser kleinen manuellen Pumpen, mit denen man Säuglingen das Nasensekret absaugen kann. Wer dies hier also liest, bald nach Kenia kommt und einen netten Doktor kennt: Ihr wisst, was ihr zu tun habt!
Draußen tummeln sich Leute - Frauen bringen ihre Kleinkinder zu Vorsorgeuntersuchungen, die Babys werden gewogen und geimpft. In einem anderen Gebäude ist Betreuung angesagt - Mütter, die vor kurzem eine positive HIV-Diagnose verkraften mussten, werden medizinisch und (pseudo-)psychologisch (natürlich ist kein ausgebildeter Psychologe vor Ort, sondern Freiwillige) betreut. Oberstes Ziel ist es, der Mutter ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen und zu verhindern, dass die Krankheit auf das Ungeborene übertragen wird. 

Ich habe schon den Eindruck, dass es keine schlechte Idee von Philip ist, all diesen Projekten Freiwillige zukommen zu lassen (bzw genauer gesagt, über eine zentrale Seite zukommen zu lassen, denn natürlich haben sie alle schon ab und an mal jemanden da). Ich jedenfalls hätte in jedem der heute besuchten Projekte angeheuert :) Vielleicht werde ich das ein oder andere auch nochmal zumindest einen Tag besuchen, doch letztendlich, denke ich, bin ich in der Schule schon gut aufgehoben. Ich mag die Arbeit mit den Kindern, und ich hoffe, ich kann ihnen etwas beibringen und ihnen damit helfen, einen Grundstein für ihre Zukunft zu legen. Doch natürlich sind hier noch so viele andere Dinge im Argen, dass es schön ist, zu sehen, wie viele Leute es hier gibt, die sich engagieren diese Dinge zu verbessern.

Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende. Ich muss noch nach Downtown Ukunda, ein Hochzeitsgeschenk für morgen kaufen (das hat man mir in letzter Sekunde gesagt, und ich bin froh, dass mich meine ehemalige kenianische Kollegin Winnie begleitet, die weiß, was man hier zu solchen Anlässen besorgt und was nicht), dann fahre ich heim und - die Tatsache, dass Freitag Abend ist ignorierend - falle ins Bett.     Das Wochenende kann kommen.

aufgrund eines Mangels an verfügbaren Computern, Internet mit gescheitem Datenvolumen bzw. Internet allgemein werden Bilder zu diesem Post erst in den nächsten Tagen zugefügt werden können. Ich bitte um Entschuldigung 

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